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Eberhard Fleischmann

Das Phänomen Putin. Der sprachliche Hintergrund

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2010; VII, 361 S.; brosch., 29,- €; ISBN 978-3-86583-426-3
Wladimir Putin, russischer Ex-Präsident, momentan amtierender Ministerpräsident und mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder nächster Präsident Russlands, ist für seine wandlungsfähige Sprache bekannt. Mal präsentiert er sich als weltoffener Gesprächspartner, dann wieder als aggressiver Polemiker, der seine Gegner sogar im Jargon der Gosse attackiert. Diesen widersprüchlichen Äußerungen Putins geht der Autor aus der Sicht eines Übersetzungswissenschaftlers nach. Er untersucht, wie Putin seine Sprache gezielt einsetzt. Dafür analysiert Fleischmann Putins Äußerungen auf Pressekonferenzen und in Interviews während seiner achtjährigen Präsidentschaft zwischen 2000 und 2008 sowie im folgenden Jahr als Ministerpräsident. Die Grundannahme, dass Putins Äußerungen widersprüchlich sind, wird durch seine Analyse bestätigt. Mal bevorzugt Putin lexikalische Mittel, die Fortschritt, Größe und Modernität Russlands hervorheben, mal benutzt er sprachliche Stereotypen aus der Sowjetzeit. Vor allem ist Putin ein Meister darin, prekäre Sachverhalte, die ihn beziehungsweise seine Arbeit berühren, zu verharmlosen. Seine sprachliche Wandlungsfähigkeit erkläre sich dadurch, so der Autor, dass Putin alle gesellschaftlichen Gruppen ansprechen möchte. Jede Gruppe könne sich dann mehr oder minder mit den Äußerungen identifizieren. – Der Untersuchung mangelt es an Theorie über die politische Kommunikation und einer Antwort auf die Frage, wie sich Putins Sprache in den vergangenen zehn Jahren auf das politische Handeln, die Medien und die Wahrnehmung der Russländer ausgewirkt hat. Gleichwohl arbeitet der Autor die Sprache Putins in ihren Gegensätzen akkurat heraus. Die Welt wird sich wieder an einen russischen Präsidenten gewöhnen müssen, der 2006 für den damaligen israelischen Staatspräsidenten und heute inhaftierten Vergewaltiger Mosche Katzav folgende Grüße durch den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert bestellen ließ: „‚Grüßen Sie Ihren Präsidenten! Er ist ein toller Kerl. Hat zehn Frauen vergewaltigt. Das hätte ich von ihm nicht erwartet. Er hat uns alle in Erstaunen versetzt. Wir beneiden ihn alle.’“ (344)
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.24 | 2.22 | 2.262 | 4.22 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Eberhard Fleischmann: Das Phänomen Putin. Leipzig: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32232-das-phaenomen-putin_38464, veröffentlicht am 17.11.2011. Buch-Nr.: 38464 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken