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Hans Putzer

Hungerkriege. Das Schicksal unserer Kinder?

Graz: Leykam 2010; 128 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-7011-7698-4
Im Jahr 2009 litten erstmals über eine Milliarde Menschen an Hunger. Diesen alarmierenden Zustand sieht der Autor, Leiter einer katholischen Bildungsstätte und Präsident der Katholischen Aktion Steiermark, als Ausdruck dafür, dass die strukturellen Probleme der globalen Lebensmittelproduktion bislang nicht gelöst werden konnten. Sie haben sich seiner Ansicht nach im Gegenteil weiter verschärft. Putzer beleuchtet die verschiedenen Facetten der globalen Nahrungsmittelkrise und erläutert die Zusammenhänge von Armut, Hunger, Bevölkerungswachstum, kriegerischen Konflikten, Flucht und Migration einerseits sowie von Klimawandel, Agrobusiness und übermäßigem Fleischkonsum in den wohlhabenden Gesellschaften andererseits. Er verweist beispielhaft, aber eindringlich auf Unruhen und Gewaltausbrüche als Folge von ernsthaften Versorgungskrisen und steigenden Lebensmittelpreisen, wie sie in den vergangenen Jahren in Haiti, Bangladesch, der Elfenbeinküste oder in Mauretanien aufgetreten sind; er deutet sie als „reale Vorzeichen künftiger Hungerkriege“ (34). Vor allem klagt Putzer die globale Agrarindustrie an und zeigt auf, wie diese kleinbäuerliche Strukturen und damit die Lebensgrundlagen der Landbevölkerung (nicht nur) in den Ländern des Südens zerstört. Der Agrarsektor habe sich zudem zu einem profitablen Spekulationsgeschäft entwickelt. Die Auslagerung bioproduktiver Flächen – vor allem für den Anbau von Viehfutter – erinnere „an kolonialistische Wirtschaftsmodelle“ (25); dem Sklavenhandel sei die heute allgegenwärtige Kinderarbeit gewichen. Der Autor fordert eine radikale Abkehr vom Wachstumsstreben; Wohlstand dürfe nicht länger mit Wachstum definiert werden, Lebensqualität nicht mit Lebensstandard. „Dem Wachstumsfetischismus zu widerstehen“, so Putzer, „ist die vielleicht wichtigste politische Tugend des 21. Jahrhunderts.“ (120) Von Politik und Wirtschaft seien die notwendigen Impulse für ein solches Umdenken nicht zu erwarten, sie müssten aus den Reihen einer verantwortungsvollen Zivilgesellschaft kommen. Und an diese ist sein Buch in erster Linie gerichtet.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.45 | 4.43 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Hans Putzer: Hungerkriege. Graz: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32152-hungerkriege_38349, veröffentlicht am 02.02.2011. Buch-Nr.: 38349 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken