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Gianluigi Nuzzi

Vatikan AG. Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann, Petra Kaiser und Rita Seuß

Salzburg: ecowin 2009; 356 S.; geb., 22,50 €; ISBN 978-3-902404-89-3
Dem Autor, seines Zeichens investigativer Journalist, ist durch die Nachlassverwalter Renato Dardozzis ein umfangreiches Geheimarchiv in die Hände gefallen. Dardozzi war eine führende Persönlichkeit in der Verwaltung der vatikanischen Kirchenfinanzen. Er hatte Kopien von Buchungsbelegen, Briefen, internen Mitteilungen, Banküberweisungen, Auszüge von Nummernkonten und Geheimbilanzen der Vatikanbank angefertigt und im Keller eines schweizerischen Bauernhauses versteckt. Dies ist nicht nur infolge der Skandale um die Vatikanbank in den letzten Jahrzehnten höchst brisant, sondern bis heute zählen die „Finanzaktivitäten der Holding des Heiligen Stuhls zu den bestgehüteten Geheimnissen der Welt“ (16). Die Veröffentlichung der italienischen Erstausgabe 2009 führte an der Spitze der Vatikanbank zur Entlassung Angelo Caloias. Dessen Nachfolger, Gotti Tedeschi, unterzeichnete eine Vereinbarung mit der Europäischen Union, wonach der Vatikan nunmehr den in der EU geltenden Gesetzen zur Verhinderung von Geldwäsche unterliegt. Gleichwohl kritisiert der Autor: „Tatsächlich jedoch erfüllt das IOR [Istituto per le Opere di Religione sc. Vatikanbank] bis heute nicht alle Vorgaben“ (27). Ehedem aber waren die Konten der Vatikanbank steuerbefreit und ihre Mitarbeiter vor Strafverfolgung geschützt, was sich erst durch ein Urteil des obersten italienischen Gerichtes 2004 änderte. Am Beispiel eines Kontos der sogenannten „Fondazione cardinale Francis Spellman“ rekonstruiert Nuzzi auch Verwicklungen Giulio Andreottis, des siebenmaligen italienischen Ministerpräsidenten. „Alle Indizien“, so der Autor, deuten darauf hin, dass es ein „Geheimkonto Andreottis“ (75) gegeben habe. Über dieses Konto seien etliche Milliarden Lire geflossen, allein Staatsanleihen im Wert von 32,5 Millionen Euro. Über die Kontobewegungen ließen sich zahlreiche Gefälligkeitszahlungen verfolgen, für Gefolgsleute seien ganze Kongresse finanziert worden. Der Band gibt einen tiefen Einblick in Filz und Nepotismus einer Demokratie, deren führende Vertreter zudem enge Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhielten.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Gianluigi Nuzzi: Vatikan AG. Salzburg: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32017-vatikan-ag_38185, veröffentlicht am 17.06.2010. Buch-Nr.: 38185 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken