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Charlotte Misselwitz / Cornelia Siebeck (Hrsg.)

Dissonant Memories – Fragmented Present. Exchanging Young Discourses between Israel and Germany

Bielefeld: transcript Verlag 2009; 232 S.; kart., 24,80 €; ISBN 978-3-8376-1273-8
In dieser Publikation sind sehr verschiedene Beiträge von Teilnehmern deutsch-israelischer Jugendaustauschprogramme versammelt. Im Zentrum der Texte steht die Frage, wie junge Israelis und Deutsche über den Holocaust und den Nationalsozialismus kommunizieren. Dabei wird deutlich, dass die Austauschprozesse die sozialen und politischen Realitäten der Vergangenheit und auch Gegenwart in beiden Ländern widerspiegeln. Nirit Bialer und Tanja Kersting berichten von ihrem 2004 und 2005 durchgeführten Projekt Beyond Memory mit Teilnehmern im Alter von 25 bis 45 Jahren. Ziel des Projekts war es zu untersuchen, inwieweit Deutsche und Israelis eine gemeinsame Perspektive auf den Holocaust entwickeln können. Dabei stellte sich heraus, dass das Denken der Israelis nach wie vor durch die Herkunft aus der Gesellschaft der Opfer und das der Deutschen durch die Herkunft aus der Gesellschaft der Täter bestimmt wird. Während die deutschen Teilnehmer versuchten, die akademischen Aspekte der Diskussionen zu betonen, zogen sich die Israelis auf die emotionale Seite der Nachfahren von Überlebenden zurück. Zudem betonen Bialer und Kersting, dass der Holocaust für Israelis eher eine kollektive Identität konstruiere, während er für Deutsche die Dekonstruktion einer solchen bedeute. Die Deutschen fühlten sich aber eher einer Generation als einem Kollektiv zugehörig und so blieb die Frage, warum sie sich den Tätern näher fühlen sollten als den Opfern, unter den Teilnehmern kontrovers und ungelöst. Nanna Bader spürt in ihrem Beitrag den Narrativen der israelisch-palästinensischen Geschichte nach. In einem Austauschprogramm zwischen Israelis und Palästinensern stellte sie fest, dass viele Israelis das erste Mal die Erfahrung machten, dass ihre Soldaten nicht als Vertreter der Moral, sondern als Besatzer und Terroristen gesehen werden. Ebenso erfuhren sie, dass Palästinenser in der Region lebten, bevor die jüdischen Siedler kamen. „They realize that the historical narrative that they were taught in school is not simply a fact, but rather one possible way to look at the past reality and […] has a lot to do with legitimising the present” (91).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Charlotte Misselwitz / Cornelia Siebeck (Hrsg.): Dissonant Memories – Fragmented Present. Bielefeld: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31977-dissonant-memories--fragmented-present_38133, veröffentlicht am 28.04.2010. Buch-Nr.: 38133 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken