Staat und Geschlecht. Grundlagen und aktuelle Herausforderungen feministischer Staatstheorie
Die lange zu beobachtende „‚Staatsblindheit’ feministischer Theorie“ (11) ist erstaunlich, markiert doch gerade der „Staat“ die für die feministische Debatte nicht ganz unwichtige Trennlinie zwischen „öffentlich“ und „privat“. Aufgrund des politikwissenschaftlichen Mainstreams, z. T. auch infolge vorherrschender marxistischer Ansätze aber setzte erst ab den 90er-Jahren in den USA und Westeuropa eine Beschäftigung mit dem Verhältnis von Staat und Geschlecht ein, etwa zeitgleich mit der allgemein zu beobachtenden „Rückkehr des Staates“. Dabei sind der „spezifische Beitrag und das Ziel feministischer Staatstheorie [...] einerseits die Erklärung staatlichen Wandels, die Veränderung von geschlechtsspezifischer Staatlichkeit zu mehr Geschlechterdemokratie sowie andererseits Analysen der Persistenz patriachalischer bzw. maskulinistischer Pfadabhängigkeit von Staaten. Dies kristallisiert sich in Fragen nach staatlicher Geschlechterherrschaft, aber auch nach der Autonomie des Staatsapparates gegenüber maskulinistischen Strukturen und Interessen sowie in der staatstheoretischen Begründung von Emanzipation und Geschlechterdemokratie heraus“ (13). Schon die klassische Definition eines Max Webers sei daher fragwürdig, weil die physische Gewalt nicht „vom Staat ‚monopolisiert’ [wurde], sondern ‚private Gewalt’ weiter [existierte], da Männer in der Sphäre der Privatheit Verfügungsgewalt behielten“ (15) – der Staat als „Männerbund“ (Eva Kreisky/Marion Löffler): klar es hieß ja auch 1789 „Brüderlichkeit“. Schon hier wird deutlich, dass folglich „jede die Kategorie Geschlecht ausblendende staatstheoretische Arbeit letztlich hinter den aktuellen (wissenschaftlichen) Stand [...] fällt“ (22). So ergibt sich ein längst fälliger, guter Überblick zu den Grundlagen feministischer Staatskritik (Teil 1) sowie zu den aktuellen Kontroversen feministischer Staatstheorie (Teil 2): von der naturrechtlichen Vertragstheorie als „Geschlechtervertrag“ (Gabriele Wilde, 31) über die „Transformation von Staatlichkeit“ (Birgit Sauer, 105) bis hin etwa zu Fragen von „Eugenik, Demografie und [...] Fortpflanzungspolitik“ (Susanne Schultz, 183).