Wissensobjekt Selbstmordattentat. Epistemische Gewalt und okzidentalistische Selbstvergewisserung in der Terrorismusforschung
Diss. Wien; Begutachtung: B. Sauer, A. Lann Hornscheidt – Brunner geht in ihrer qualitativen diskursanalytischen Studie nichts Geringerem als der Verbindung von Macht und Wissen nach. Im Mittelpunkt steht dabei das Selbstmordattentat als ein Wissensobjekt, also als ein Bestandteil eines vereindeutigten hegemonialen Wissensbestandes, aus dem sich die eigene Selbstwahrnehmung in der Konstruktion eines abgründigen Anderen speist. Diesen Mechanismus verortet sie in der Herstellung einer stabilen Sinnordnung durch eine an politischer Praxis orientierten Terrorismusforschung. In dieser stellt sich das komplexe Phänomen des Selbstmordattentats als eine geglättete „suicide bombing story“ (15) der illegitimen politischen Gewalt dar, eigene Gewaltpraktiken lassen sich daran als legitim bemessen. Indem sie sich gerade nicht dem Ereignis Selbstmordattentat, sondern dessen wissenschaftlicher Aufarbeitung widmet, zeigt sie die Modi der Wissenserzeugung ebenso wie die der Selbstvergewisserung durch beispielsweise Pathologisierungs-, Irrationalisierungs- oder Kulturalisierungsmechanismen. Zur Analyse zieht sie größtenteils aus den Jahren 2002 bis 2007 entnommene wissenschaftliche Beiträge der Terrorismusforschung heran, die sie zu einem umfangreichen Materialkorpus – textlicher und nicht-textlicher Fragmente – verdichtet. Das in dem Material gerahmte Wissensobjekt unterzieht sie einer multiperspektivischen Kritik, die sich aus wissenssoziologischer Diskursforschung, feministischer Intersektionalitätsforschung und postkolonialer Theorie speist. Im Ergebnis zeigt sich die „Sinnformelhaftigkeit“ (341) des Wissensobjekts als Produkt und Träger epistemischer Gewalt, durch die sich eine bestimmte Herrschaftskonstellation reproduziert und verstetigt und damit eben das Problem, das die wissenschaftliche Betrachtung zu lösen vorgibt, mit hervorbringt.