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Nicole Völtz

Staatsjubiläum und Friedliche Revolution. Planung und Scheitern des 40. Jahrestags der DDR 1989

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2009 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 31); 311 S.; hardc., 40,- €; ISBN 978-3-86583-306-8
Diss. TU Dresden; Gutachter: W. Müller, W. Freitag, M. Schattkowsky. – „Seit 1987 beschäftigten die Vorbereitungen für das Republikjubiläum den Staats‑ und Parteiapparat“, schreibt die Autorin. „Jeder sollte aktiv in die Jubiläumsvorbereitungen einbezogen werden. Damit wollte die SED den Anschein einer großen Volksbewegung [...] erwecken“ (77 f.). Die von oben initiierten Aktivitäten reichten von dem Plan, durch neue Technologien in der Mikroelektronik 1989 zusätzlich zum Volkswirtschaftsplan 170 Millionen Mark zu erwirtschaften, bis zur Räumung wilder Mülldeponien durch Dorfbewohner. Außerdem sollten 4.000 neue Kleingärten geschaffen werden, „um die Eigenversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln [...] zu stärken“ (87). – Die Autorin hat mit der Auflistung der geplanten Aktionen einen Informationsschatz geborgen, sind doch diese Planungen zugleich ein Eingeständnis der SED auf allen Parteiebenen darüber, welche Missstände in der DDR herrschten. Interessant sind sie außerdem als Vorgeschichte der friedlichen Revolution, denn Völtz gelingt es, die schwindende Mobilisierungsfähigkeit des Systems zu belegen – viele Aktionen erbrachten nicht die erwünschten Ergebnisse, im Oktober 1989 schließlich beflaggten nicht einmal mehr alle Parteigenossen ihre Balkone und Vorgärten; viele Jugendliche, die zum Fackelumzug der FDJ nach Berlin beordert wurden, nutzten das Ereignis vor allem als touristischen Ausflug in die Hauptstadt. Die Absicht der SED‑Führung, sich ideologisch durch die „historische Meistererzählung“ (51) als besserer deutscher Staat und ganz praktisch durch die gesteigerte Versorgung mit Konsumgütern bei der Bevölkerung wieder zu legitimieren, schlug nach Schilderung der Autorin angesichts von Demonstrationen und Fluchtbewegung gänzlich fehl – und da zahlreiche Verkäuferinnen zu den Geflüchteten gehörten, blieben auch noch viele Läden geschlossen. „Erich Honecker saß in der Jubiläumsfalle“ (165) und verdrängte dennoch die Krise. Der Widerspruch aber zwischen der Erfolgspropaganda und der Realität beschleunigte den „Stimmungsverfall in der Bevölkerung“ (170).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Nicole Völtz: Staatsjubiläum und Friedliche Revolution. Leipzig: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31546-staatsjubilaeum-und-friedliche-revolution_37561, veröffentlicht am 10.02.2010. Buch-Nr.: 37561 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken