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Paul Nolte

Religion und Bürgergesellschaft. Brauchen wir einen religionsfreundlichen Staat?

Berlin: Berlin University Press 2009 (Berliner Reden zur Religionspolitik); 136 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-940432-64-3
Der Autor geht in seinem Essay von der Beobachtung aus, dass Religion, in diesem Text ist damit das Christentum gemeint, am Anfang des 21. Jahrhunderts die privaten und innerkirchlichen Rückzugsräume verlassen hat und zu einem bedeutenden Teil von gesellschaftlicher und politischer Öffentlichkeit geworden ist. Diese Entwicklung hält Nolte auch für kaum verzichtbar, denn Religion trage zum Kern westlicher Gesellschaften bei: „Deren moralische und soziale Substanz ist ohne Religion nur schwer vorstellbar“ (10). Dem Autor geht es explizit nicht um die Gefahren und Risiken, die Religion per se mit sich bringt, er konzentriert sich gänzlich auf die „Vermutung, dass Religion auf vielfältige Weise auf die Gesellschaft […] ausstrahlt und damit […] nützlich für die Bürgergesellschaft ist“ (11). Der Autor plädiert dafür, religiöses Bewusstsein nicht als Ausdruck minderer Intellektualität oder Aufgeklärtheit zu verstehen, da es in der westlichen Moderne „einem massiven Reflexionsschub unterworfen“ (59) gewesen sei. Dieser resultierte, so Nolte, aus der kognitiven Bearbeitung der Grenze zwischen Eigenem und Anderem, zwischen Kirche und Staat, Glauben und Wissen. In diesem Reflexionsraum, der der Heteronomie von Religion und Bürgergesellschaft unterworfen sei, könnten im Rahmen einer Meta-Reflexion komplexe Erkenntnis- und Handlungshorizonte entstehen, auf die moderne Gesellschaften nicht einfach verzichten sollten. Abschließend wird der Blick Noltes noch einmal kritischer. Er stellt fest, dass europaweit die Religiosität bei Akademikern zunehme, ohne Universitätsabschluss hingegen schwinde. So, räumt er ein, könne man auch kritisch fragen, ob die neue Rolle von Religion „in die religiöse Bevormundung einer größtenteils areligiösen Gesellschaft führt“ (119) und sich gesellschaftliche Milieus voneinander entfremden, diese bürgergesellschaftliche Ressource der Religion somit zum Vehikel neuer Exklusionsstrategien werde.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 | 2.331 | 2.23 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Paul Nolte: Religion und Bürgergesellschaft. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31397-religion-und-buergergesellschaft_37369, veröffentlicht am 28.01.2010. Buch-Nr.: 37369 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken