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Marc Thörner

Afghanistan-Code. Eine Reportage über Krieg, Fundamentalismus und Demokratie

Hamburg: Edition Nautilus 2010 (Nautilus Flugschrift); 156 S.; 16,- €; ISBN 978-3-89401-607-4
Der islamische Fundamentalismus sichere dem Westen seine hegemoniale Stellung, weil er den Anlass biete, in zivilisatorisch rückständigen Ländern militärische Präsenz auszubauen – so lautet Thörners Hauptthese. Hergeleitet wird diese durch den Rückgriff auf historische Literatur des 19. Jahrhunderts über französische und britische Kolonialkriege sowie über Parallelen dazu in aktuellen US-amerikanischen Vorschriften zur Aufstandsbekämpfung. Ausgewählte Erlebnisse und Interviews untermalen die Aussagen. Thörner gelingen mit der Unbefangenheit eines Außenstehenden einige aufschlussreiche Einblicke in militärische Lebenswelten des Afghanistaneinsatzes. Gleichzeitig ist ihm daran gelegen, das Bild der Bundeswehr zu korrigieren. Nachvollziehbar ist, dass nach seiner Einschätzung die Einsatzrealität nur wenig mit dem früher gern gepflegten Helfer-Image gemein hat. Thörner bemängelt weiter, dass sich die Bundeswehr in Afghanistan vom „Schutz- und Aufbaumandat“ (17) der ISAF-Mission diametral entferne. Dabei nehme sie immer stärker die von den USA bereits praktizierte Rolle des Unterstützers ehemaliger Kriegsfürsten ein. Von früher beteuerter Demokratisierung Afghanistans sei nichts mehr zu spüren, stattdessen wende man sich der Rücksichtnahme auf traditionelle Strukturen zu. All dies sei ein Beleg, dass die „Entscheidungsträger im Berliner Bendlerblock“ daran interessiert schienen, „die verfassungsmäßige Rolle der Bundeswehr abzuschaffen“ (132). Die oft unreflektiert übernommenen Aussagen afghanischer Gesprächspartner oder einer „Suchmaschine“ (111) beeinträchtigen die Qualität des Buches allerdings. Auch schmälert die latente Abfälligkeit, mit der militärische Sachverhalte oder Personen beschrieben werden, den Objektivitäts- und damit Seriositätsgehalt einer solchen Reportage. Eine wirklich spannende These wird so leider zu sehr in Richtung Stammtischdebatte verschoben.
Kieron Kleinert (KIK)
M. A., Historiker und Politikwissenschaftler, Offizier, Bundeswehr.
Rubrizierung: 4.41 | 4.2 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Kieron Kleinert, Rezension zu: Marc Thörner: Afghanistan-Code. Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31375-afghanistan-code_37340, veröffentlicht am 04.05.2010. Buch-Nr.: 37340 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken