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Wolfgang Engler

Lüge als Prinzip. Aufrichtigkeit im Kapitalismus

Berlin: Aufbau-Verlag 2009; 214 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-351-02709-4
Der Soziologe, Publizist und Schauspiellehrer wagt sich an eine Begriffsgeschichte der altmodisch anmutenden Aufrichtigkeit. Im Zusammenklang mit dem Untertitel erwartet der Leser eine Abrechnung mit den Urhebern der Finanz- und Wirtschaftskrise. Stattdessen hat Engler eine geistreiche Studie zu Aufrichtigkeit und Lüge seit der Aufklärung verfasst. Die aktuelle Krise kommt nur am Rande vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Genese dieser Geisteshaltung aus dem Glauben heraus sowie auf der Entwicklung bis Ende des 18. Jahrhunderts, als die „Analyse des Selbst“ auf das Bürgerliche übergriff und durch eine Massenbewegung eine „Kultur des Authentischen“ (24) schuf. Aufrichtigkeit gefiel den Aufklärern als eine ehrliche Haltung und als eine Pflicht, sich zu offenbaren. Dazu kontrastierte das höfische Gebaren mit seinen Intrigen und Verstellungskünsten. Während Englers Kritik am modernen Kapitalismus sehr konkret und anschaulich ist, neigt er ansonsten zu mitunter kryptischen Formulierungen. Präzise und sehr erhellend wird Engler jedoch im letzten Teil des Buches, wo er eine begriffliche Differenzierung von Aufrichtigkeit, Authentizität und Echtheit vornimmt. Er geht dabei den Dingen wortwörtlich auf den Grund. Wer ihm dorthin folgt und anschließend wieder zu den oberflächlichen Diskursen der Gegenwart auftaucht, durchschaut viele Positionen – nicht zuletzt, weil sie ihm inzwischen als alte Bekannte erscheinen.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Wolfgang Engler: Lüge als Prinzip. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31274-luege-als-prinzip_37200, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 37200 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken