Skip to main content
Peter Waldmann

Radikalisierung in der Diaspora. Wie Islamisten im Westen zu Terroristen werden

Hamburg: Murmann 2009; 248 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-86774-052-4
Warum werden muslimische Migranten, die zur Verbesserung ihres Lebensstandards in den Westen kamen, ausgerechnet gegen ihre Aufnahmegesellschaften gewaltsam? Mit dieser Frage richtet der Autor den Blick auf die westlichen Gesellschaften selbst, die diesen Aspekt gern unter Irrationalität oder schlicht Undankbarkeit verbuchen würden. Dabei jedoch blieben die speziellen Existenzbedingungen der Muslime im Westen ausgeklammert, erläutert der emeritierte Professor für Soziologie und ausgewiesene Experte auf dem Gebiet der Terrorismusforschung. Denn sie stünden unter einem doppelten Anpassungsdruck: Sie müssen um ihre soziale Anerkennung ringen und sehen sich gleichzeitig verpflichtet, ihrem kulturell-religiösen Erbe treu zu bleiben. Daher führt Waldmann das bisher von der Forschung vernachlässigte Diasporakonzept ein. Denn Diasporakolonien kennzeichneten sich eben durch eine doppelte Identität, jene des Herkunftsstaates und jene als Migrant und Bürger des Aufnahmestaats. Bisher wurde diese doppelte Identität als Gewinn betrachtet, sie bedeute jedoch auch eine enorme Belastung. „Die Option für den radikalen Islamismus […] ist eine sich bietende Lösung für die im Westen lebenden Muslime, mit diesem Identitätsdilemma fertig zu werden“ (14), lautet die Eingangsthese Waldmanns. In behutsamer Anlehnung und Übertragung der Ausführungen Jan Assmanns zu Monotheismus und Gewalt auf den Islam führt er weiter aus, dass es aus der Geschichte und derzeitigen Situation des Islams heraus verständlich sei, wenn die islamische Gemeinde ein Gefühl des Bedrohtseins entwickelt habe. Die Schlussbemerkungen Waldmanns sind verhalten optimistisch. Er vermutet, dass der Dschihadismus der westlichen Diaspora seinen „Höhepunkt bereits überschritten hat“ (198). Dafür führt er vier Argumente an: 1. die Wellentheorie David Rapoports; 2. das Fehlen eines transnationalen Koordinationszentrums; 3. dass sich westliche Trägergruppen aus der Unterschicht rekrutieren und sich zunehmend in Orientierung an der zu Wohlstand gelangten muslimischen Mittelschicht der Verbesserung ihres Lebensstandards widmen würden und 4. dass die Persistenz von Diasporagemeinschaften eher eine Ausnahme darstelle.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.25 | 2.263 | 4.42 | 2.61 | 2.64 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Peter Waldmann: Radikalisierung in der Diaspora. Hamburg: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31264-radikalisierung-in-der-diaspora_37189, veröffentlicht am 04.05.2010. Buch-Nr.: 37189 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken