Magisterarbeit Freiburg. – Die Sichtweise von Muslimen auf „den“ Westen ist bislang nur in Ansätzen erforscht worden. Stärker als länderübergreifende Befragungen mithilfe von Fragebogen können qualitative Interviews differenzierte Einstellungen sichtbar machen. Die Autorin hat dafür 30 Frauen aus der Mittel- und Oberschicht Ägyptens befragt. Anders als Titel und Untertitel vermuten lassen, steht nicht die Sicht auf den Westen, sondern das Selbstverständnis und der Blick auf die eigene Gesellschaft im Mittelpunkt der Arbeit. Ausgehend von der patriarchalischen Verfasstheit der ägyptischen Gesellschaft und der hohen Bedeutung der Familie für das Individuum konzentriert sich die Autorin auf Partnerschaftsideale, Berufstätigkeit und Feminismus. Hinsichtlich der Sichtweise auf westliche Gesellschaften scheinen positive Ansichten zu überwiegen; so genießen vor allem westliche Männer großes Ansehen, weil sie ihre Frauen als gleichberechtigte Partnerinnen akzeptieren würden. Auch die westliche Kultur der Offenheit und Ehrlichkeit wird angesichts des Drucks der eigenen Gesellschaft, persönliche Einstellungen eher zu verheimlichen, gutgeheißen. Allerdings halten die Befragten das Unabhängigkeitsstreben westlicher Frauen für übertrieben. Eine Abgrenzung gegenüber dem Westen findet vor allem über eine eigene, vermeintlich überlegene Sexualmoral sowie eine stärkere Gläubigkeit statt. Als eine der wenigen Studien dieser Art ist die Lektüre in allen Details bereichernd. Dass die Befragten in der Interviewsituation zum Teil als erwünscht antizipierte Antworten gegeben haben könnten, problematisiert die Autorin allerdings nicht. Noch aufschlussreicher wäre es zudem gewesen, wenn sie zumindest als Kontrast zu den Einstellungen der überwiegend akademisch gebildeten Stadtbewohnerinnen auch einige sozial benachteiligte Frauen aus ländlichen Gebieten hätte zu Wort kommen lassen.