Für den Prozess der europäischen Integration spielt die kulturelle Dimension eine wichtige, aber zugleich sehr unübersichtliche Rolle. In normativer Hinsicht besteht die Erwartung, dass die Ausbildung einer europäischen Identität gewiss das Zusammenspiel von Institutionen voraussetze, aber ohne eine Verankerung in gemeinsamen kulturellen Orientierungen nicht gelingen könne. Allerdings ist das empirische Bild gegenwärtig noch außerordentlich widersprüchlich. Das liegt zum einen – weil von Kultur nur im Plural gesprochen sollte – an begrifflichen Fragen; zum anderen verläuft die kulturelle Integration nicht unabhängig vom politischen und ökonomischen Zusammenwachsen Europas, aber sie folgt doch einer eigenständigen Dynamik. Die Beiträge setzen sich aus der Perspektive der Kultur-, Sozial- und Geschichtswissenschaften mit den widersprüchlichen Tendenzen im kulturellen Raum Europas auseinander. Dabei werden teils funktionale Zusammenhänge angesprochen – so die Bedeutung der Zivilgesellschaften für die Etablierung einer europäischen Öffentlichkeit oder die Haltung von Eliten gegenüber der europäischen Integration. Teils geht es um ausgewählte Felder im europäischen Diskurs – so um Debatten über Einheit versus Vielfalt der kulturellen Orientierungen, um Ansatzpunkte einer gemeinsamen Erinnerungskultur, um spezielle Ausprägungen der Europabilder im Zuge der Osterweiterung oder am Beispiel des Alkoholkonsums um Regulierungen alltagskultureller Praktiken. Der Band hätte durch ein Autorenverzeichnis sowie eine ausführlichere Darstellung des Entstehungskontextes gewiss noch gewonnen.