Skip to main content
Norbert Frei / José Brunner / Constantin Goschler (Hrsg.)

Die Praxis der Wiedergutmachung. Geschichte, Erfahrung und Wirkung in Deutschland und Israel

Göttingen: Wallstein Verlag 2009 (Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts 8; Schriftenreihe des Minerva Instituts für deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv 28); 773 S.; geb., 52,- €; ISBN 978-3-8353-0168-9
Die Autoren des Bandes beschränken sich nicht darauf, die juristischen und politischen Rahmensetzungen und die konkreten historischen Abläufe wiederzugeben, sondern sie wollen die konkrete Praxis der „Wiedergutmachung“ nationalsozialistischen Unrechts in ihrer widersprüchlichen Vielfalt darstellen: Ziel ist es, „anhand ganz verschiedener akteurzentrierter Mikrostudien ein reichhaltiges und umfassendes Bild zu schaffen, das Verallgemeinerungen unterwandert, indem es die unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Rollen und Aufgaben beleuchtet, die die in den Prozeß der Wiedergutmachung involvierten Individuen, Gruppen und Institutionen erfüllten“ (36). Diesem Anspruch der Herausgeber wird der Sammelband gerecht, die Beiträge ergeben ein facettenreiches Bild. Der Band ist in vier große Kapitel untergliedert. Unter der Überschrift „Geschichte und Geschichten“ werden einzelne biografische Schicksale und Akteure vorgestellt sowie einzelne Opfergruppen und Kollektive untersucht. Im Teil „Anerkennung und Ausgrenzung“ geraten auch jene in den Blick, denen als „Asoziale“, Homosexuelle, „Zigeuner“ oder „kriminelle KZ-Häftlinge“ Entschädigung und Wiedergutmachung in vielen Fällen versagt blieb. Kontinuitäten von Diskriminierung und Kriminalisierung, die bis in die Kaiserzeit zurückgehen und weit über das Jahr 1945 bestehen, werden sichtbar. Mehrere Beiträge thematisieren im Kapitel „Leib und Seele“, wie mit Traumatisierungen, physischen und psychischen Folgen der NS-Verfolgung im Prozess der Wiedergutmachung umgegangen wurde, beleuchten die medizinische und psychiatrische Begutachtungspraxis und die Rolle der Gutachter. Im Kapitel „Recht und Gerechtigkeit“ werden juristische Akteure bzw. rechtshistorische Abläufe behandelt, wie zum Beispiel die konkrete Praxis einzelner Wiedergutmachungsbehörden. Trotz der Unterschiedlichkeit der einzelnen Befunde wird insgesamt deutlich, dass „nicht der geringste Grund, die Geschichte der Wiedergutmachung in eine simple Erfolgsgeschichte umzuschreiben“ (47) besteht.
Christoph Kopke (CKO)
Dr. phil., Dipl.-Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelsohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Christoph Kopke, Rezension zu: Norbert Frei / José Brunner / Constantin Goschler (Hrsg.): Die Praxis der Wiedergutmachung. Göttingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31055-die-praxis-der-wiedergutmachung_36925, veröffentlicht am 26.08.2009. Buch-Nr.: 36925 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken