Auf die Frage, was politische Führung auszeichnet, hat die politische Theorie – je nach normativem Kontext – unterschiedliche Antworten gegeben; eine der einflussreichsten stellt zweifellos Webers Katalog von Tugenden (Leidenschaft, Augenmaß, Verantwortung) dar, über die verfügen sollte, wer Politik zu seinem Beruf machen will. In lockerer Anknüpfung an Webers Herrschaftssoziologie entwirft der Göttinger Parteienforscher Walter eine Typologie des Führungspersonals, das den deutschen Parteienwettbewerb seit 1945 geprägt hat. Die Grundlage dieser Typologie bildet die stilisierte Gegenüberstellung des charismatischen Politikers mit visionärer Perspektive einerseits und andererseits des am professionellen Management des Tagesgeschäftes ausgerichteten Büroleiters. Die sensibel gezeichneten Porträts ordnet Walter vier Perioden zu: die Zeit der Patriarchen (1945-1963), die neuen Reformisten (1963-1974), Etatisten, Enkel und Alternative (1974-1998) und Machtdeterministen in der Berliner Republik (1998-2009). Das so entstandene, anregend zu lesende Panorama deutscher Politik unterstreicht in zeitdiagnostischer Absicht die Schwierigkeiten politischer Führung in einer von Medien bestimmten Gesellschaft nach dem Ende verbindlicher Doktrinen. Die hohe Fragmentierung politischer Prozesse und die Notwendigkeit von Koalitionsbildungen verlangen von den Akteuren in erster Linie Moderations- und Anpassungsfähigkeit. Je stärker jedoch diese Kompetenzen sichtbar ausgeübt werden, desto eher scheint sich in der Bevölkerung „die Nachfrage nach Figuren, die zuzuspitzen und zu polarisieren sich nicht scheuen“ auszubreiten (404).