Ausgehend von der Tatsache, „dass neue Staaten immer auch eine neue Vergangenheit benötigen“ (39), untersucht Kuljić Erinnerungskultur und Geschichtspolitik als Elemente der Nationsbildung in den ehemaligen jugoslawischen Republiken. Sein Essay beruht großteils auf bereits publizierten Texten, die nun jedoch erstmals auf Deutsch vorliegen und um ein Vorwort von Ulf Brunnbauer ergänzt wurden. Kuljić spricht von einem „Bürgerkrieg der Erinnerungen“ (166), ohne den sich die jugoslawischen Kriege nicht würden erklären lassen, und formuliert im Schlusskapitel Wege einer neuen Erinnerungskultur. Auf den vorhergehenden Seiten unternimmt der Autor eine Tour durch lieux de mémoire und nationale Feiertage der postjugoslawischen Staaten und führt so dem Leser deren Suche nach historischer Legitimität vor Augen. Insbesondere weist Kuljić auf die doppelte Entlegitimierung – jener des Sozialismus und jener Jugoslawiens – hin, die nun oftmals mit einem Anti-Antifaschismus beantwortet würde. Gemäß der Invented History-Forschung zeigt er die geschichtspolitischen Methoden und kulturellen Mechanismen einer kollektiv imaginierten weil individuell (meist) nicht erlebten gemeinsamen Vergangenheit auf; dabei kommt der Analyse der Verortung Titos in der neuen serbischen Erinnerungsordnung große Relevanz zu. Angesichts so manchen postjugoslawisch-nationalistischen Geschichtsverständnisses als „Sieg ‚natürlicher’ Nationalstaaten über ‚künstliche’ multinationale Gebilde“ (76) ist Kuljićs Buch auch in Hinblick auf die (künftige) Mitgliedschaft ehemaliger jugoslawischer Republiken in der Europäischen Union äußerst lesenswert.