Diss. Göttingen; Gutachter: P. Lösche, J. Borchert. – Die Autorin fragt, ob sich das dissentierende, also das von der Fraktionsmehrheit abweichende Abstimmungsverhalten in den ostdeutschen Landtagen seit ihrer Gründung im Vergleich zu demjenigen in den westdeutschen Landtagen verändert hat. Dabei geht sie von der Annahme aus, dass die ostdeutschen Landtagsabgeordneten in der ersten Legislaturperiode häufiger abweichend abgestimmt haben als ihre westdeutschen Kollegen und dass sich dieses Phänomen im Laufe der Zeit abgeschwächt hat. Zur Beantwortung der Frage und Verifizierung der Hypothese hat Könen qualitativ-empirische mit quantitativ-empirischen Methoden verbunden und die namentlichen Abstimmungen in Brandenburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern über drei Legislaturperioden zwischen 1990 und 2002 ausgewertet. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass anfänglich im Osten „ein sehr hohes“ (310) dissentierendes Abstimmungsverhalten vorlag, das sich im Laufe der ersten drei Legislaturperioden demjenigen in den beiden westdeutschen Landtagen jedoch stark annäherte. Bei den ostdeutschen SPD-Fraktionen sei weniger konform als bei den CDU-Fraktionen gestimmt worden und ehemalige Mitglieder einer Blockpartei beziehungsweise der SED hätten konformer abgestimmt als ihre Kollegen ohne diese Mitgliedschaft. Wiederum stimmten Mitglieder einer Bürgerbewegung in der ersten Legislaturperiode dissentierender als ihre Kollegen. Die in der Literatur vielfach vertretene, wonach Abgeordnete mit einem Direktmandat häufiger abweichend votierten als solche mit einem Listenmandat, sieht die Autorin nicht bestätigt: Tatsächlich votierten Parlamentarier mit einem Listenmandat ebenso häufig dissentierend wie ihre Kollegen mit einem Direktmandat. Könen verdeutlicht, welch große Bedeutung der vorparlamentarischen und parlamentarischen Sozialisation für das sinkende Dissensniveau dieser ostdeutschen Landtage seit ihrer Konstituierung zukommt.