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Birgit Enzmann

Der demokratische Verfassungsstaat. Zwischen Legitimationskonflikt und Deutungsoffenheit

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009; 502 S.; brosch., 49,90 €; ISBN 978-3-531-16739-8
Politikwiss. Habilitationsschrift Eichstätt-Ingolstadt. – Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Spannungsverhältnis von Demokratie und Rechtsstaat in der Form des richterlich gesicherten Vorrangs der Verfassung. Enzmann hält die These einer Auflösung (vgl. aktuell Eberl: Verfassung und Richterspruch, 2006) – sei es über den Minderheitsschutz (so schon Kelsen), den Diskurs (Habermas) oder über die Verfassungsinterpreten einer offenen Gesellschaft (Häberle) – für revisionsbedürftig. Der Legitimationskonflikt von richterlicher Letztentscheidung und demokratischer Souveränität ließe sich nicht so einfach über den gesellschaftlichen Deutungswandel der Verfassung wegzaubern, schreibt sie, zumindest dann nicht, wenn „die Eigenart des demokratischen Verfassungsstaats gerade darin besteht, sich durch einen per Gericht geschützten Vorrang der Verfassung einer solchen Auflösung zu widersetzen“ (474). Daraus ergebe sich eine engere Definition und typologische Abgrenzung zu weiteren Formen rechtsstaatlicher Demokratien mit schwächeren Schranken der Verfassung. In diesem Sinne seien daher nur wenige Länder überhaupt demokratische Verfassungsstaaten, nämlich die, „in denen die Verfassung nicht legal durchbrochen und nicht vollständig geändert werden kann“ (474). Von hier aus wird die Entstehung dieses Typs in ideengeschichtlicher und vergleichender Perspektive rekonstruiert. Es zeigt sich u. a., dass bei der Verfassungsgerichtsbarkeit weniger der Individualrechtsschutz als vielmehr die Wahrung der Rechtseinheit im Föderalismus Pate gestanden hat (USA, Schweiz). Demgegenüber erfolgte nach Ansicht der Autorin die „Unterwerfung des Bundesgesetzgebers“ nur zögerlich, in Deutschland z. B. aufgrund eines „überhöhte[n] Staats- und Politikverständnis[ses]“ (477). Zudem seien auch das „bisherige Ausmaß der Kompetenzen des Karlsruher Gerichts und seine aktivistische Spruchpraxis [...] mit einer auf dem empirischen Volkswillen beruhenden Demokratie unverträglich“ (473).
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.21 | 5.41 | 2.61 | 2.64 | 2.31 | 2.32 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Birgit Enzmann: Der demokratische Verfassungsstaat. Wiesbaden: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30954-der-demokratische-verfassungsstaat_36791, veröffentlicht am 15.09.2009. Buch-Nr.: 36791 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken