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Ilko-Sascha Kowalczuk

Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR

München: C. H. Beck 2009; 602 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-406-58357-5
Das Paradoxon, dass in der DDR bis 1989 eine scheinbare Stabilität und Ruhe herrschte und dann innerhalb weniger Wochen Staat und System zerfielen, erklärt Kowalczuk, Projektleiter in der Forschungsabteilung der Birthler‑Behörde, in einer atmosphärisch dichten Beschreibung der Ereignisse. Das Buch lebt davon, dass dem Historiker Kowalczuk immer wieder auch der Zeitzeuge Kowalczuk die Feder führt. Die daraus resultierende gelegentliche Distanzlosigkeit zum Geschehen und die mitunter sehr persönlichen Einschätzungen von Personen sind allerdings kein Nachteil, sondern eine Bereicherung – wer diese Zeit miterlebt hat, ist nicht frei von Emotionen, der Leser kann von diesen unmittelbaren Eindrücken profitieren. Kowalczuk benennt allerdings auch gleich einleitend, wem das „alternativlose[...] Ende“ (14) der DDR zu verdanken ist: Gorbatschow. Er habe weder Reform noch Revolution mit militärischen Mitteln zu verhindern versucht. Unterhalb dieser internationalen Ebene liegt dann aber der Schwerpunkt der Darstellung. Kowalczuk beschreibt ausführlich die DDR‑Gesellschaft der 80er‑Jahre, in der sich nicht nur oppositionelle Gruppen zusammenfanden, sondern sich ganze Teile der Bevölkerung vom SED‑Regime schlicht abwandten – am sichtbarsten die Jugendlichen, deren staatlich verordnete FDJ‑Idylle nicht nur von Punks und Rechtsextremen immer sichtbarer konterkariert wurde. In der Rückschau auf das Innenleben der Kirchen und auf die Friedensbewegung zeigt sich, dass die Revolution von 1989 keinesfalls aus dem Nichts kam, sondern von langer Hand eher zufällig und ungeplant vorbereitet wurde und schließlich eine Eigendynamik entwickelte, die dem SED‑Regime jegliche Legitimität raubte. Kowalczuk erzählt damit eine Emanzipationsgeschichte, auf die die Deutschen tatsächlich stolz sein können. Dass die herausragenden Protagonisten der Oppositionsbewegung nach dem glücklichen Ende der Revolution politisch schnell an Bedeutung verloren, schmälert nach Ansicht Kowalczuks nicht ihre Leistung, sondern sei eine historische Normalität.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. München: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30565-endspiel_36297, veröffentlicht am 20.05.2009. Buch-Nr.: 36297 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken