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Jürgen Roth

Mafialand Deutschland

Frankfurt a. M.: Eichborn 2009; 320 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-8218-5632-2
„Eigentlich war das, was sich in Brandenburg exemplarisch bis heute abspielt, überhaupt kein politischer und gesellschaftlicher Systemwechsel“ (227), schreibt der Journalist Roth. Und diese Feststellung lässt sich seiner Ansicht nach u. a. auch und gerade für das Land Sachsen treffen – aus beiden neuen Bundesländern nennt er konkrete Beispiele dafür, wie sich nach der Wende Stasi- und SED-Seilschaften ehemals volkseigene Unternehmen erschlichen, Vermögen an die Seite schafften und in CDU, SPD und PDS eintraten, um sich politisch abzusichern. Die DDR-Bürger, die sehnsüchtig an eine westliche demokratische Kultur und an Rechtsstaatlichkeit geglaubt hätten, seien bitter enttäuscht worden. „Bürgerliche Zivilcourage, so gerne in Sonntagsreden eingefordert, ist der blanken Angst gewichen.“ (227) Roth schreibt damit eine ganz andere Geschichte der Wiedervereinigung und zieht Parallelen zwischen den Machtstrukturen in den neuen Bundesländern und den Verhältnissen in den Regionen Italiens, die von der Mafia beherrscht werden. Erschreckend an der Darstellung ist, dass Roth eindeutige Indizien für eine – unabsichtliche oder wissentliche? – Absicherung der kriminellen Strukturen durch einen Teil der Justiz und durch einige Politiker nennen kann. Dies betrifft zwar vor allem die neuen Bundesländer, aber nicht nur: Auch dem jetzigen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Oettinger ließen sich ehemals gute Kontakte zu einem italienischen Mafiosi nachweisen. Die Verbrechen der italienischen Mafia in Deutschland und Europa machen einen weiteren Schwerpunkt des Buches aus. Roth erläutert, dass das Verbrechen diversifiziert und modernisiert wurde, neben Altbekanntem wie den Drogengeschäften seien neue Formen getreten, wozu der Betrug mit EU-Fördergeldern gehöre. Gewinne würden zum Teil durch Investitionen in börsennotierte Unternehmen legalisiert – überhaupt biete der globalisierte, neoliberale Kapitalismus für die organisierte Kriminalität die besten Bedingungen. Insgesamt zeichnet Roth ein äußerst vielschichtiges Bild der organisierten Kriminalität, die sicher auch die Demokratie bedroht.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.315 | 2.325 | 2.61 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jürgen Roth: Mafialand Deutschland Frankfurt a. M.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30321-mafialand-deutschland_35982, veröffentlicht am 29.04.2009. Buch-Nr.: 35982 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken