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Gerold Prauss

Moral und Recht im Staat nach Kant und Hegel

Freiburg i. Br./München: Verlag Karl Alber 2008; 149 S.; kart., 24,- €; ISBN 978-3-495-48320-6
Unter Sozial- und Staatswissenschaftlern dürfte weithin als Konsens gelten, dass der Staat seinen Bürgern nicht moralisches, wohl aber rechtskonformes Handeln gebieten könne, schreibt Prauss. Dem liege die Auffassung zugrunde, dass die Moral als Sphäre der dem staatlichen Eingriff grundsätzlich entzogenen Innerlichkeit getrennt zu betrachten sei von der äußerlichen Sphäre des Verhaltens, die staatlichen Zwangsmitteln unterworfen sei. Diese Trennung hält Prauss – trotz ihrer breiten ideengeschichtlichen Verankerung – für zutiefst falsch. Er möchte demgegenüber die starke These entwickeln, recht verstanden müsse der Staat auch moralisches Handeln verlangen können. Für diese Zwecke verteidigt der Autor – für den Philosophie die Wissenschaft von der Gegebenheit der praktischen Vernunft ist – Kant gegen Kant. Kant habe in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ mit der Unterscheidung zwischen dem Handeln aus Pflicht und dem bloß pflichtgemäßen Handeln diese irreführende Differenz von Moral und Recht eingeführt. Deren Schwäche sei zum einen die Verwischung von Motiven und Handlung, zum anderen die in Analogie zur Newton’schen Physik gewählte Doppelkonstruktion einer Kausalität aus Freiheit, die für die Subjektivität gelte, und einer Kausalität aus Natur, der das Äußere von Handlungen unterliege. Dieser Dualismus von Gesinnung und Handlung werde erst mit der in der „Kritik der praktischen Vernunft“ vorgenommenen Differenzierung überwindbar, die Handlungsarten unter Berücksichtigung der Interpersonalität unterscheidet. Prauss leitet aus der dem kategorischen Imperativ zugrunde liegenden Typologie – den anderen nur als Mittel, auch als Selbstzweck oder schließlich nur als Selbstzweck zu behandeln – einen Begriff von Handlung ab, der die jeweilige Handlungsart mit einer entsprechenden Gesinnung verknüpft. Dieser handlungstheoretische Rahmen könne dann – weil er die falsche Subjektivierung der Moral ebenso wie die falsche Objektivierung des Rechts ausschließt – normativ eine Rechtsordnung begründen, die nicht mehr als abhängig von bestimmten (traditionalen oder religiösen) Einstellungen gedacht wird.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Gerold Prauss: Moral und Recht im Staat nach Kant und Hegel Freiburg i. Br./München: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30084-moral-und-recht-im-staat-nach-kant-und-hegel_35664, veröffentlicht am 24.03.2009. Buch-Nr.: 35664 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken