In Zeiten wachsender Ungleichheit steigt offensichtlich die Nachfrage nach politikwissenschaftlicher Aufklärung über Theorien der Gerechtigkeit. Mit diesem Buch liegt binnen eines halben Jahres nach der Arbeit von Bernd Ladwig (siehe Buch-Nr. 41143) die zweite an ein größeres Publikum gerichtete Einführung ins Thema vor. Im direkten Vergleich scheint die chronologische Vorgehensweise bei Heidenreich gegenüber der systematisch vorgenommenen Einführung von Ladwig einiges für sich zu haben. So wird mit dem Verweis auf die politische Ideengeschichte immer auch der Blick auf die konkreten historischen Problemlagen eröffnet. In einem ersten Teil werden auf knappstem Raum klassische Theorien der Gerechtigkeit von Aristoteles bis Marx vorgestellt. Die dadurch notwendig verkürzte Darstellung bedingt manch diskutable Schwerpunktsetzung. Ist die für die deutsche Geschichte so wirkmächtige Gerechtigkeitslehre Luthers in einer deutschsprachigen Einführung wirklich verzichtbar? Andererseits gelingt Heidenreich bei den behandelten Theoretikern, etwa im Kapitel über Rousseau und Kant, eine auf die wesentlichen Argumente reduzierte, sachlich zutreffende Darstellung. Ein zweiter Teil des Buches ist aktuellen Positionen der Gerechtigkeitsdebatte von Rawls bis Sen gewidmet. Hier vermag die Auswahl der behandelten Autoren zu überzeugen und zu überraschen: Niklas Luhmann und Emmanuel Lévinas bilden interessante Kontrapunkte zum auf die Liberalismus-Kommunitarismus-Debatte fokussierten Gerechtigkeitsdiskurs der Gegenwart. Im dritten und letzten Teil widmet sich der Autor unter dem Titel „Aktuelle Problemlagen“ dann doch systematischen Fragestellungen, unter anderem der Geschlechtergerechtigkeit sowie der ökologischen und globalen Gerechtigkeit. Auch hier informiert Heidenreich sachlich und sehr ausgewogen – darum aber nicht allzu pointiert – über die wesentlichen Gesichtspunkte.