Die Gewalt des neoliberalen Staates. Vom fordistischen Wohlfahrtsstaat zum repressiven Überwachungsstaat
Der Formenwandel moderner Staatlichkeit wird im Kontext neoliberal getönten New Public Managements primär unter Effizienzgesichtspunkten als Entwicklung zum schlanken Leistungs- und Wettbewerbsstaat beschrieben. In dieser Beschreibung mischen sich normative und empirische Dimensionen – mit beiden Aspekten setzen sich die Autoren kritisch auseinander. Schon die Prämisse, marktförmig erbrachte Dienstleistungen seien wirtschaftlicher als öffentliche, könne nur vertreten, wer von den im Zuge der Privatisierung externalisierten Kosten absieht. Aber auch die Behauptung, der moderne Staat reduziere in ganzer Breite seine klassischen Aufgaben, verkennt, dass der neoliberale Staat wohl seine Leistungs- und Gestaltungsfunktionen, nicht aber seine Ordnungsfunktionen zurückfährt. Gerade in dieser Diskrepanz sehen die Autorinnen und Autoren eine Voraussetzung der neuen Gewaltförmigkeit staatlichen Handelns. Zwar ist die Entwicklung durchaus widersprüchlich – auf der einen Seite finden sich Tendenzen der Ausdehnung staatlicher Eingriffsrechte gegenüber der Privatsphäre, auf der anderen Seite finden sich ebenso Tendenzen einer steigenden Privatisierung von Sicherheitsleistungen – insgesamt aber nehmen unter diesen Vorzeichen Formen proaktiver und struktureller Gewalt zu. Mit proaktiver Gewalt sind dabei Verfahren gemeint, die durch Beratung, Therapeutisierung oder Sanktionsandrohung zur Übernahme marktkonformer, individualisierter Lebensformen nötigen. Strukturelle Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen zur Selbstbehauptung auf Märkten gezwungen werden, ohne dafür über die erforderlichen Mittel zu verfügen. Die Autoren behandeln beide Formen von Gewalt. Auch wenn die Beispiele überwiegend auf österreichische Verhältnisse bezogen sind, ist der Band grundsätzlich für die Diskussion neoliberaler Staatlichkeit relevant.