Skip to main content
Matthias Rüb

Gott regiert Amerika. Religion und Politik in den USA

Wien: Paul Zsolnay Verlag 2008; 207 S.; 17,90 €; ISBN 978-3-552-05445-5
Die von Gesellschaftstheoretikern seit Marx vertretende These, dass sich eine Gesellschaft parallel modernisiere und säkularisiere, treffe auf die USA nicht zu, schreibt der Journalist Rüb. Er stellt dort zugleich ein spezifisches Phänomen fest: Die US-Amerikaner seien „Kunden auf religiöser Einkaufstour“ – eine Studie belege, dass sich 41 Prozent der Erwachsenen erst nach einer „ausgiebigen Shoppingtour für eine Kult- oder Gedenkstätte entscheiden“ (9). Diese Metapher entspringt gar nicht so sehr einer Polemik des Autors. In seinen Reportagen über das religiöse Leben in den USA geht es auch immer um das viele Geld, das mit dem Glauben der Menschen erwirtschaftet wird. Eines der Beispiele sind die Mormonen, deren Vermögenswerte auf 35 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Wäre diese Kirche ein Unternehmen, „käme sie in der ‚Fortune 500’-Liste der größten Firmen auf einen guten Platz im Mittelfeld – vor internationalen Konzernen wie Nike oder Gap“ (115). Rüb schildert aber nicht nur, dass die Kirchen aufgrund ihrer finanziellen Mittel in der Lage sind, sich öffentlich Gehör zu verschaffen, sondern auch, wie stark die von ihnen vertretenen Inhalte ihren eigenen Interessen dienen. Dies gelte auch für die Katholische Kirche, die eine nach Süden offene Grenze der USA begrüßen würde, weil die meisten Lateinamerikaner katholisch seien. Wie umfassend der Anspruch ist, das Leben der Menschen zu formen und zu lenken, zeigt Rüb auch an der Gründung der katholischen Stadt Ave Maria in Florida – in der dann aber wieder die Aussicht auf finanziellen Profit die Entscheidungen prägt. Rüb thematisiert auch – u. a. am herausragenden Beispiel des Predigers Billy Graham – den Einfluss des religiösen Denkens auf die politische Sphäre. Insgesamt vermeidet Rüb stereotype Erklärungsmuster und orientiert sich an der nachprüfbaren Realität. Und so erklärt er die Verbundenheit der USA mit Israel auch nicht mit der kleinen jüdischen Lobby in Washington, sondern mit dem Einfluss der konservativen Evangelikalen, die in der arabisch-islamischen Welt ihren Feind sehen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.64 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Matthias Rüb: Gott regiert Amerika. Wien: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29829-gott-regiert-amerika_35338, veröffentlicht am 09.12.2008. Buch-Nr.: 35338 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken