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Lucian Hölscher (Hrsg.)

Political Correctness. Der sprachpolitische Streit um die nationalsozialistischen Verbrechen

Göttingen: Wallstein Verlag 2008; 228 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-0344-7
„Als Vorwurf formuliert, ist ‚Political Correctness’ [...] längst zu einem gewaltsamen Begriff geworden in Deutschland: ein Diffamierungs- und Distanzierungsbegriff, der im Moment seiner Formulierung einen selbst unmittelbar zum Opfer, den Gegenüber aber zum Täter eines sprachpolitischen Gewaltaktes deklariert“ (198), schreibt Tillmann Bendikowski als ein Fazit aus 13 Interviews. Diese wurden 2006 mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Berufen geführt, die jeweils aus einer spezifischen Perspektive die politischen Debatten wahrnehmen. Dabei zeigt sich, dass Grenzen des Sagbaren gerade beim Sprechen über den Nationalsozialismus als durchaus sinnvoll und nicht als Beschneidung der Meinungsfreiheit angesehen werden – vor allem aufgrund der Sorge, „dass bewusst oder unbewusst mit sprachlichen Entgleisungen oder Ungenauigkeiten die Opfer des Terrors beleidigt werden, dass die Begriffe der Täter bewusst oder unbewusst verharmlost und in neuen Kontexten wiederbelebt werden“ (201). Wo aber verlaufen die sprachpolitischen Grenzen und wer zieht sie? Mit Blick auf verschiedene kontroverse Diskussionen seit dem Ende der 80er-Jahre (Historikerstreit, die Fälle Jenninger, Heitmann, Möllemann und Hohmann, die Debatte um und mit Walser) zeigt sich, dass diese Grenzen immer wieder neu gefunden werden müssen. Als „goldene Regel“ der Sprachpolitik gelte zudem, schreibt Hölscher, dass nicht die Frage nach der Richtigkeit des Gesagtem zur Debatte stehe, „sondern allein die seiner Angemessenheit im gegebenen Kontext“ (16) – das deutlichste Beispiel ist Jenninger, an dessen persönlicher Integrität keine Zweifel bestanden, der in seiner Rede vor dem Bundestag 1988 aber eine falsche (weil missverständliche) historisierende Sprache benutzte. Dies zeigte auch, dass Sprache und Gesinnung nicht immer gleichzusetzen sind. Insgesamt vermitteln die Autoren mit diesen Fallbeispielen und den Interviews einen Eindruck davon, wie sich unter dem Begriff der Political Correctness auch – positiv gewendet – ein „substantiell offene[r] Kernbereich politischer Überzeugungen“ (14) fassen lässt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Lucian Hölscher (Hrsg.): Political Correctness. Göttingen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29443-political-correctness_34841, veröffentlicht am 21.10.2008. Buch-Nr.: 34841 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken