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Birgit Sauer / Sabine Strasser (Hrsg.)

Zwangsfreiheiten. Multikulturalität und Feminismus

Wien: Promedia 2008 (Historische Sozialkunde/Internationale Entwicklung 27); 260 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 978-3-85371-283-2
In den vergangenen Monaten sorgten vor allem die in Deutschland und anderen europäischen Staaten auf offener Straße begangenen sogenannten Ehrenmorde eine starke mediale Aufmerksamkeit und politische Auseinandersetzung über Integration und religiöse Vielfalt. Thematisiert wurden die Bedeutung der universellen Menschenrechte sowie das Recht auf kulturelle Selbstbestimmung. In den öffentlichen Diskussionen wird dabei vor allem das Dilemma deutlich, Frauen und Mädchen einerseits nicht kulturell legitimierter Gewalt durch fehlende (staatliche) Interventionen aussetzen zu wollen und andererseits nicht dem Diskurs von Frauen als Opfer ihrer Kulturen zu verfallen, der sie ein zweites Mal abwertet, statt sie – durch Stärkung ihrer eigenen Handlungsfähigkeit – zu unterstützen. Dieses problematische Verhältnis von Feminismus und Multikulturalismus hat zu einer weitgehenden Abwendung von multikulturellen Ansätzen in Theorie und Praxis der Politik geführt. Statt dieser – umstrittenen – Abkehr von Zugeständnissen kultureller Gruppenrechte an Minderheiten wollen die Autoren Möglichkeiten aufzeigen, wie das Verhältnis von Feminismus und Multikulturalismus neu bestimmt werden kann, ohne den drängenden Fragen der Einhaltung von Menschrechten bei gleichzeitiger Akzeptanz von Differenzen auszuweichen. Zugleich wird auf eine weitere kritische Komponente hingewiesen, die sich nicht zuletzt im paradox klingenden Titel des Bandes widerspiegelt: Die Forderung nach Gleichstellung der Geschlechter wird in westlichen Gesellschaften immer dann stärker betont und von den „Anderen“ verlangt, wenn dadurch die Überlegenheit gegenüber dem Fremden demonstriert und die Abwertung anderer Kulturen gefestigt werden kann. Die Autoren leisten daher einen wichtigen Beitrag für das Verständnis für kulturelle Differenzen, zeigen aber auch die Schattenseiten eines falsch verstandenen Kulturbegriffs und unterstreichen die Bedeutung eines politischen Mittelweges zwischen den Strategien zur Verhinderung von Gewalt und dem staatlichen Auftrag Minderheiten zu schützen.
Eva Voß (EV)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
Rubrizierung: 4.42 | 2.27 | 2.4 Empfohlene Zitierweise: Eva Voß, Rezension zu: Birgit Sauer / Sabine Strasser (Hrsg.): Zwangsfreiheiten. Wien: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29410-zwangsfreiheiten_34799, veröffentlicht am 02.09.2008. Buch-Nr.: 34799 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken