Die Selbstautorisierung des Agenten. Der Europäische Gerichtshof im Vergleich zum U.S. Supreme Court
Habilitationsschrift Bonn; Gutachter: F. Decker, M. Herdegen, V. Kronenberg, T. Mayer, W. Hilz. – Keine Verfassung ist statisch. Verfassungsgerichte verstehen sich nicht nur als deren Hüter, sondern passen sie qua Auslegung auch an sich wandelnde Verhältnisse an. Insofern sind Verfassungsgerichte nicht nur für die Rechts-, sondern auch für die Politikwissenschaft von erheblichem Interesse. Der Autor verbindet beide Disziplinen und will dabei einerseits deren rein normenorientierte, andererseits aber auch die rein interessengeleiteten Einseitigkeiten vermeiden. Und er weitet den Blick auch dadurch, dass er den Europäischen Gerichtshof als das Verfassungsgericht nicht eines Nationalstaates, sondern als das der europäischen „Föderation von Nationalstaaten“ (11) vergleichend dem Supreme Court der USA gegenüberstellt. Sein Ziel ist es, die eigentlich überraschende Machtstellung des EuGH vor dem Hintergrund der föderalen Vergleichserfahrung jenseits des Atlantiks politikwissenschaftlich zu erklären. Verfassungsgerichte, so Höreth, sind nicht nur genuin politische Akteure, sondern sie wirken gleichsam als „verfassungsgebende Versammlungen in Permanenz“ (39), die im Zuge einer umfassenden Juridifizierung der verfassungsrelevanten Konflikte indirekt auch die eigentlich politischen Akteure dazu veranlassen, ihr strategisches Verhalten in antizipierender Reaktion am verfassungsgerichtlichen Bestand seiner Ergebnisse auszurichten. So werde trotz aller Heterogenität und der Zentrifugaleffekte, wie sie für Mehrebenensysteme typisch sind, politische Integration überhaupt möglich. Letztlich sei damit aber auch die klassische Lehre von der Gewaltenteilung endgültig obsolet. In der Terminologie der Delegations- bzw. Agenturtheorie – anhand derer auch die integrationsrelevanten Urteile von EuGH und Supreme Court vergleichend empirisch überprüft werden – sind vielmehr die Verfassungsgerichte von „agents“ zu „principals“ geworden, eine Perspektive, die sich für die Weiterentwicklung des EuGH im politischen System der EU sogar präskriptiv fortschreiben ließe.