Die unaufhaltsame Revolution. Wie die Werte der Moderne die islamische Welt verändern. Aus dem Französischen von Enrico Heinemann
Der Untertitel ist insofern etwas irreführend, als Courbage/Todd vor allem über Geburtenraten und Alphabetisierungsquoten argumentieren. Weltweit würden sich alle Länder modernisieren – und dabei Konflikte durchleiden. Diesen geistigen Revolutionen würden veränderte Einstellungen zugrunde liegen, deren konkrete Formen wiederum von den landestypischen Familienstrukturen abhingen. Der Islamismus sei eine entsprechend kurzlebige Ideologie, die sich chancenlos gegen den Wandel zur Wehr setze. Das Wort „unaufhaltsam“ im Titel suggeriert dabei eine naturgesetzmäßige Entwicklung, die für gesellschaftliche Zusammenhänge nicht postuliert werden sollte. Spätestens bei der Heranziehung des Genozids in Ruanda als Beleg für die allumfassende Geltungsmacht ihrer These verlieren die Autoren an Argumentationskraft – die komplexen Ursachen dieses Völkermordes sind umfassend erforscht und lassen sich nicht als eine „Krise des Übergangs“ (51) auf Lesevermögen und Gebärfreudigkeit der Ruander beschränken. Und die These, derzufolge Erbrecht, Heiratssitten und andere Aspekte des Familienlebens einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellungen, die den Typus der jeweiligen Modernisierungskrise bestimmen, ausüben würden, ist schlicht nicht belegt und erscheint überdies wenig plausibel. Das Buch ist offensichtlich in dem Bemühen verfasst worden, Muslime nicht als seltsame Fremde darzustellen, sondern als Menschen, die Europäern und Amerikanern überaus ähnlich sind. Leider ist dabei kein wissenschaftlich weiterführender Beitrag entstanden.