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Christoph Jünke

Der lange Schatten des Stalinismus. Sozialismus und Demokratie gestern und heute

Köln: Neuer ISP Verlag 2007; 207 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-89900-126-6
Bei dieser Aufsatzsammlung handelt es um politische Schriften, die überwiegend zuvor an anderer Stelle erschienen sind. Einer der Texte stammt von dem DDR-Historiker Manfred Behrend. Eine zentrale These des Buches ist die, dass nicht nur der Kapitalismus 1989-1991 einen „welthistorischen Sieg“ davongetragen habe, sondern auch der Stalinismus. Dessen posthumer Triumph bestehe darin, „den authentischen Kommunismus, die gleichermaßen antikapitalistische wie antistalinistische Linke als eine historische Bewegung wesentlich desorganisiert und mitzerschlagen zu haben“ (7). Jünke identifiziert den Stalinismus – angelehnt an den im Austromarxismus wurzelnden Leo Kofler – als eine bürokratische Ideologie, die sich von der sozialistischen Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft zum Wohle des eigenen Machterhalts entfernt habe. Der Autor wendet sich dagegen – unter Umgehung der Geschichte des real existierenden Sozialismus – erneut dem marxistischen Gedanken zu, in dem bürgerliche Freiheiten und kapitalistische Produktionsweise als Widerspruch mit der Folge von „neuen und sich immer weiter vertiefenden sozialen Ungleichheiten“ (99) begriffen werden. Jünke argumentiert strikt auf einer Linie, die ihren Anfang bei Trotzki genommen hat, und kommt entsprechend zu einer schablonenhaften Darstellung der Gegenwart. Seiner Ansicht nach zeige im sogenannten Krieg gegen den Terrorismus „die ‚Zivilisation’ ihre dünne Haut, die bürgerliche Demokratie ihre strukturelle Labilität und die bürgerliche Klasse ihre antidemokratischen Neigungen“ (198). Der Neoliberalismus hat nach Ansicht des Autors nur vorläufig gesiegt und der Sozialismus nur vorläufig versagt. Die Bedürfnisse nach Demokratie würden auf einen sozialistischen Weg führen und damit zu einer Überwindung der Marktwirtschaft und zur direkten Demokratie. Außerdem schreibt Jünke von einer „Veredelung“ (206) des Menschen, nachdem der Widerspruch zwischen Kultur und Leben aufgehoben worden sei. Man fragt sich nur, wie der Autor nach den Gewalterfahrungen im 20. Jahrhundert immer noch dazu kommt, der Menschheit eine Ideologie zu empfehlen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.43 | 5.46 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christoph Jünke: Der lange Schatten des Stalinismus. Köln: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28717-der-lange-schatten-des-stalinismus_33865, veröffentlicht am 09.05.2008. Buch-Nr.: 33865 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken