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Ellen Meiksins Wood

Demokratie contra Kapitalismus. Beiträge zur Erneuerung des historischen Materialismus. Aus dem Englischen von Ingrid Scherf und Christoph Jünke

Köln: ISP 2010; 304 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-89900-123-5
Warum wird ein Buch 15 Jahre nach Erscheinen seines englischen Originals erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht? Dass die Autorin weltweit zu den bekanntesten marxistischen Sozialwissenschaftlerinnen zählt, ist ein ebenso wenig zufriedenstellendes Argument wie die Tatsache, dass das Original in der kritischen Theorie bereits zum Klassiker avanciert ist – weist doch die bislang fehlende Übersetzung auf ein offenbar mangelndes Interesse im deutschsprachigen Raum hin. Und doch sind es vor allem zwei Themen, die das Werk – obwohl theoretisch konzipiert – tagesaktueller denn je machen. Zum einen ist dies die kapitalismuskritische Debatte, die im Rahmen der Wirtschaftskrise inzwischen weit weniger verpönt ist als noch vor 10 Jahren. Im ersten Teil des Buches widmet sich die Autorin zentralen Begriffen und Themen der marxistischen Tradition wie Basis und Überbau, Struktur und Prozess, Klassen und Staat. Ihr wesentliches Projekt ist dabei eine detaillierte Kritik an deterministischen Geschichtsvorstellungen (und zwar sowohl in der marxistischen wie auch in der nicht-marxistischen Theorie): Diese setzten gerade die (kapitalistischen) Strukturen, die zu erklären wären, bereits voraus und seien deshalb unfähig, politische Alternativen zu entwickeln. Im Mittelpunkt stehen dabei die für den Kapitalismus typische Trennung von Ökonomie und Politik sowie die Differenzierung zwischen bürgerlichen Freiheiten und ökonomischen Unfreiheiten. Dieser Aspekt leitet zum zweiten Teil des Buches – und zugleich zum zweiten tagesaktuellen Thema – über: dem Zusammenhang von Kapitalismus und Demokratie, welcher in den kapitalismuskritischen Bewegungen der letzten Jahre einen zentralen Stellenwert einnimmt. Laut Ellen Meiksins Wood ist nämlich heutzutage nicht mehr der Sozialismus das einigende Ziel einer heterogenen Masse an Gegenbewegungen, sondern die Idee einer radikalen Demokratie. In einem beeindruckenden historischen Bogen von der griechischen Antike bis zur heutigen Zeit erörtert die Autorin, wie politische Freiheit im Kapitalismus zwangsläufig keine soziale Freiheit nach sich ziehen kann. Dieser Aspekt – und die damit verbundene Aufforderung zum Umdenken – ist heute ebenso aktuell wie vor 15 Jahren.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42 | 5.41 | 5.45 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Ellen Meiksins Wood: Demokratie contra Kapitalismus. Köln: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28716-demokratie-contra-kapitalismus_33864, veröffentlicht am 08.12.2010. Buch-Nr.: 33864 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken