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Stephan Lanz

Berlin aufgemischt: abendländisch, multikulturell, kosmopolitisch? Die politische Konstruktion einer Einwanderungsstadt

Bielefeld: transcript Verlag 2007 (Urban Studies); 430 S.; kart., 34,80 €; ISBN 978-3-89942-789-9
Kulturwiss. Diss. Frankfurt/Oder. – Der Begriff Einwanderungsstadt sei eine Tautologie, schreibt Lanz in der Einleitung seiner äußerst aufschlussreichen Studie. Ohne Zuwanderung und – seit dem Entstehen von Nationalstaaten – auch ohne Einwanderung könne eine europäische Metropole auf Dauer nicht existieren. Nicht zuletzt die Geschichte Berlins zeige dies. Die Zusammenhänge zwischen Migration und Urbanisierung ergründet Lanz, indem er „die Genese und Effekte von Grenzziehungen zwischen einem natio-ethno-kulturellen ‚Wir’ und einem ‚Nicht-Wir’ analysiert“ (13). Die zentrale Frage ist daher, welche Einwanderergruppen und welche ihrer sozialen oder kulturellen Praktiken in spezifischen Phasen der Berliner Stadtentwicklung ins Visier welcher Grenzziehungen geraten sind. Methodisch schließt Lanz an die Diskursanalyse Foucaults an, zieht – beginnend im 17. Jahrhundert – einen Schnitt durch historische Diskursformationen bis zum Jahr 1990 und untersucht dann die Entwicklungen in der Hauptstadt seit 1991. Außerdem verknüpft er die Diskursstränge Stadtentwicklung und Einwanderung/Integration für den kurzen Zeitraum Oktober 2004 bis Februar 2005. Den Kern seiner Daten bilden 26 Interviews mit Akteuren aus der Politik, den Senats- und Bezirksverwaltungen sowie aus zivilgesellschaftlichen Organisationen. Nicht nur im historischen Rückblick wird dabei deutlich, wie willkürlich und oftmals nur am wirtschaftlichen Nutzen orientiert Einwanderer empfangen oder ausgegrenzt wurden. Auch die Debatten in der Berliner Kommunalpolitik mit ihren teilweisen rigiden Politikauswüchsen wie den Zuzugsbeschränkungen für Zuwandergruppen in einzelnen Bezirken – wovon sogar Ehepartner betroffen waren – zeigt die ideologische Aufladung der Diskurse darüber, wie eine Stadt mit ihren Einwanderern umzugehen gedenkt. Lanz erläutert auch, dass erst entsprechende Forderungen der Wirtschaft die lange tonangebende CDU schließlich dazu brachten, die Realität Berlins als Einwanderungsstadt anzuerkennen. Insgesamt ist diese kulturwissenschaftliche Studie auch für Politikwissenschaftler sehr empfehlenswert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.325 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Stephan Lanz: Berlin aufgemischt: abendländisch, multikulturell, kosmopolitisch? Bielefeld: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28702-berlin-aufgemischt-abendlaendisch-multikulturell-kosmopolitisch_33842, veröffentlicht am 09.04.2008. Buch-Nr.: 33842 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken