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Norbert Schreiber (Hrsg.)

Anna Politkowskaja. Chronik eines angekündigten Mordes

Klagenfurt: Wieser Verlag 2007; 250 S.; brosch., 19,80 €; ISBN 978-3-85129-652-5
Die Beiträge sind der russischen Journalistin Politkowskaja gewidmet, die im Oktober 2006 ermordet wurde. Gewürdigt wird ihre Arbeit, in deren Mittelpunkt der Konflikt in Tschetschenien stand. Außerdem schrieb sie über die Zustände im heutigen Russland, die nach ihren Recherchen geprägt sind von Korruption und fehlender Gewaltenteilung – vor allem die Justiz agiere nicht unabhängig. Die Autoren nehmen diese Themen auf und beschreiben die Probleme des Landes, die ihrer Ansicht nach – wie auch der Mord an Politkowskaja – in den westlichen Demokratien kaum wahrgenommen würden. Als einen wesentlichen Schlüssel zur Erklärung der krisenhaften, undemokratischen Entwicklung betrachten die Autoren die fehlende Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit. Behindert werde damit die Entstehung einer Zivilgesellschaft. Auch Konfliktlösungen beispielsweise für Tschetschenien könnten deshalb nicht gefunden werden, schreibt die Historikerin Irina Scherbakowa. Während die Russen mehrheitlich der Auffassung seien, die stalinistische Verfolgung dieses Volkes gehöre lange der Vergangenheit an, empfänden die Tschetschenen diese Ereignisse als unmittelbaren Teil ihrer Geschichte. „Das Unverständnis für diesen Unterschied in der historischen Zeitrechnung hat sehr schwere und fast nicht wiedergutzumachende Folgen, die letzten Endes zu der jetzigen Situation in Tschetschenien führen.“ (85) Es gilt als wahrscheinlich, dass Politkowskaja wegen ihrer ungeschminkten Berichterstattung über den Konflikt im Auftrag erschossen wurde. Die Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen interpretiert die Auftragsmorde an Journalisten, Vertretern des Staates, Bankiers und Unternehmern als einen „Ausdruck vollkommener Rechtlosigkeit und [...] offenkundiger politischer Ohnmacht“ (113). Vom Status eines „lupenreinen Demokraten“, als den Exkanzler Schröder ihn bezeichnete, sehen die Autoren den russischen Präsidenten Putin weit entfernt. Dessen „gelenkte Demokratie“ sei geprägt durch politische Intrigen und Abrechnungen – „Symptome des Niedergangs eines Systems“ (136).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.1 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Norbert Schreiber (Hrsg.): Anna Politkowskaja. Klagenfurt: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27518-anna-politkowskaja_32275, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 32275 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken