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Chantal Mouffe

Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion. Aus dem Englischen von Niels Neumeier

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007 (edition suhrkamp 2483); 170 S.; 9,- €; ISBN 978-3-518-12483-3
Nach der von Mouffe und Ernesto Laclau entwickelten Hegemonietheorie sind alle menschlichen Ordnungen epistemisch kontingent. Demnach existieren stets ernst zu nehmende Alternativen dazu, was als »wahr« oder »richtig« gilt. Überall dort, wo diese Alternativen zur herrschenden Ordnung in offenen Widerspruch treten, haben wir es (systematisch gesehen) mit Politik zu tun. Wenn alles Politische auf Antagonismen gegründet ist, dann gilt das auch (und gerade) für die liberale Demokratie. Vor diesem Hintergrund weist Mouffe in ihrem neuen Buch einigen aktuellen Theoriekonzepten nach, inwiefern deren Hoffnung auf eine globale Herrschaft der Menschenrechte falsch ist. Mouffe wirft dieser Utopie vor, das Politische zu moralisieren, bestehende Widersprüche in und zwischen den Gesellschaften zu leugnen und dadurch gefährlichen antidemokratischen Bewegungen wie dem Rechtspopulismus das Feld zu überlassen. Identität, so die Autorin im Rückgang auf Freud, brauche Abgrenzung. In diesem Sinne habe Carl Schmitt Recht gehabt, wenn er behaupte, die Politik werde durch eine „Wir‑Sie‑Unterscheidung“ (25) bestimmt. Gegen Schmitt betont Mouffe aber, dass diese Differenzen in einer Demokratie nicht zur Feindschaft werden dürften, die die Gesellschaft zerstören würden. Der (konstitutive) Antagonismus zwischen den Identitäten müsse vielmehr in Form eines Agonismus – einer die Gesellschaft nicht zerreißenden Pluralität – demokratisch eingehegt werden. Andernfalls werde der Traum vom Universalismus nur zu neuer Ungerechtigkeit führen. Interessant sind Mouffes Auseinandersetzungen mit Ulrich Beck und Anthony Giddens, Jürgen Habermas, Richard Falk und David Held sowie Michael Hardt und Antonio Negri. Ähnlich reizvoll auch ihre Schmitt‑Interpretation sowie die Thesen, mit denen sie den Erfolg der rechten Parteien zum Beispiel in Österreich erklärt. Unklar bleibt allerdings, wieso die Autorin so harsch gegen die Menschenrechte argumentiert, auf deren epistemisch abgeschwächte Gültigkeit sie letztlich nämlich selbst setzt.
Stefan Militzer (SM)
Dr., Publizist, Frankfurt a. M.
Rubrizierung: 5.41 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Stefan Militzer, Rezension zu: Chantal Mouffe: Über das Politische. Frankfurt a. M.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27108-ueber-das-politische_31653, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 31653 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken