Soziale Gerechtigkeit. Reformpolitik am Scheideweg. Festschrift für Dieter Eißel zum 65. Geburtstag
Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit stellt einen wesentlichen Schwerpunkt in den Arbeiten des Gießener Politologen Eißel dar. Über dessen wissenschaftlichen Werdegang informiert Huster in seinem einleitenden Aufsatz. Die folgenden Beiträge sind dem historischen und aktuellen Stellenwert von sozialer Gerechtigkeit in Gesellschaft und Politik gewidmet, wobei dem ersten theoretischen Teil zwei eher empirische Abschnitte folgen, in denen nationale und internationale Problemfelder diskutiert werden. Anhand der einzelnen Betrachtungen wird die Vielschichtigkeit des Gerechtigkeitsbegriffs deutlich, was jedoch nicht nur an der Komplexität des Themas, sondern auch an den parteipolitischen Umdeutungen liegt. Bei aller Vielfältigkeit der Themen ist allen Aufsätzen gemein, dass sie die neueren politischen Entwicklungen nicht nur als tendenzielle Infragestellung von sozialer Gerechtigkeit sehen, sondern auch die Erosion des demokratischen Wertesystems beklagen (Schmidt u. a.). Die Kritik beschränkt sich nicht allein auf das Problem der Verteilungsgerechtigkeit, sondern auch auf die Neuinterpretation des Gerechtigkeitsbegriffs: Während individuelle Verantwortung in der öffentlichen Auseinandersetzung ein zentrales rhetorisches Motiv darstellt, bleibt sie in der Wirklichkeit verweigert, weil der Frage nach der Gewährleistung von Chancengleichheit ausgewichen wird. Stattdessen wird an überholten gesellschaftlichen Leitbildern (Familienpolitik) festgehalten oder es werden neue Dimensionen des Gerechtigkeitsbegriffs missbraucht, um soziale Ungleichheiten zu biologisieren (Butterwegge). Die Beiträge über die internationale Entwicklung stellen einerseits nationale Entwicklungslinien und Problemfelder dar, weisen andererseits auf die Notwendigkeit einer Europäisierung der Sozialpolitik als Alternative zur Globalisierung hin (Huffschmid).