Der Autor, Asien-Korrespondent des Handelsblatts, präsentiert Indien als machtvolle Nation, die ihren Platz in Weltpolitik und Weltwirtschaft gefunden hat, sich aber in ihrem Werdegang und ihren Zukunftschancen deutlich von China unterscheidet. Für ihn sind beide Länder beeindruckende Beispiele für die positiven Wirkungen der Globalisierung. Im demokratischen System Indiens sieht Müller den wichtigsten Faktor, der über das Potenzial des Landes entscheidet – und für bessere Entwicklungschancen eines modernen Kapitalismus sorgt als die durch Willkür und Korruption gebremste Volkswirtschaft Chinas. Müller beschreibt die Ursachen des wirtschaftlichen Erfolgs von Indien (am wichtigsten sind dabei für ihn die Bildung und die hohe Bedeutung der Naturwissenschaften), den Strukturwandel der Wirtschaft, die wichtigsten Unternehmen des Landes und die Chancen, die sich deutschen Investoren bieten. Er geht aber auch auf die strukturellen Defizite vor allem der Infrastruktur sowie in der Landwirtschaft ein. In den letzten Kapiteln beschäftigt sich Müller stärker mit den innen- und außenpolitischen Aspekten des Landes sowie mit seinem demokratischen System, freilich immer aus der Perspektive des wirtschaftlichen Interesses. Der Stil des Buchs orientiert sich an Zeitungsreportagen und Feature-Texten. Die zusammengetragenen Fakten sind gut dokumentiert und aufbereitet. Müller bietet keine neuen Thesen oder überraschenden Zusammenhänge. Wer mehr über das enge Wechselverhältnis von ökonomischer Potenz und politischer Macht erfahren und verstehen will, wie ein demokratisch regiertes Entwicklungsland die Chancen der Globalisierung nutzen kann, lernt bei der Lektüre des Buches jedoch viel dazu. Vor allem Studienanfängern kann das Werk empfohlen werden.