Diss. Hannover; Gutachter: P. Antes. – Die Autorin versucht, mittels Diskursanalyse sozialwissenschaftliche und religiöse Konzepte zur Selbstbeschreibung und Selbstpositionierung von Muslimen in Europa gesellschaftstheoretisch einzuordnen. Dazu prüft sie die einschlägige Literatur sowohl von europäischen Wissenschaftlern als auch von islamischen Reformern, ergänzt um exemplarische Diskursbeiträge in Printmedien und Internet. Tiesler unterstellt dabei den Sozialwissenschaftlern, sie würden auf ihren Forschungsgegenstand Einfluss nehmen. Dies versucht sie dadurch zu belegen, dass im Lichte neuerer Erkenntnisse gesellschaftliche Entwicklungen der „Neuen Islamischen Präsenz (NIP)“ in den 80er-Jahren zum Teil neu interpretiert und mit anderen Begriffen („Identität“) beschrieben werden. Neben dieser kritischen Auseinandersetzung mit den begrifflichen Moden der europäischen Sozialwissenschaften beschreibt sie die Entwicklung der Gemeinden und Gemeinschaften muslimischer Immigranten und deren Nachkommen. Letztere hätten sich, so ihre These, mit dem Durchlaufen westlicher Bildungssysteme zu Identitätspolitikern entwickelt, die sich von islamischen Traditionen abwenden und einen neuen Islam zu definieren versuchen würden. Als bedeutende Reformer stellt Tiesler Bobby Salman Sayyid und Tariq Ramadan vor. Insbesondere Letzterer biete mit seinen Arbeiten zu Europa als „Haus des Glaubensbekenntnisses“ eine Lösung für die Zugehörigkeitsprobleme vieler Muslime. Auf Kritiker des umstrittenen Ramadan geht Tiesler nur am Rande ein – sie interessiert sein Konzept und weniger seine Person. Ihre Arbeit bietet einen guten Einblick in die gegenwärtigen Fragen des Themenkomplexes „Muslime in Europa“. Sie beschränkt sich jedoch weitgehend auf die Beschreibung und Kritik des Diskurses, ohne neue Begrifflichkeiten, empirische Daten oder theoretische Konzepte zur Integration anzubieten.