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Saul Friedländer

Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden. Zweiter Band: 1939-1945. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Pfeiffer

München: C. H. Beck 2006; 869 S.; Ln., 34,90 €; ISBN 978-3-406-54966-3
„In diesem Buch möchte ich eine gründliche historische Untersuchung über die Vernichtung der Juden Europas vorlegen, ohne das anfängliche Gefühl der Fassungslosigkeit völlig zu beseitigen oder einzuhegen“ (25), schreibt Friedländer. Dieses Vorhaben ist ihm eindrucksvoll gelungen, bis zur letzten Seite leidet der Leser mit den jüdischen Opfern des NS-Regimes. Friedländer hat als Zugang zum Thema deren Selbstzeugnisse gewählt, vor allem Tagebucheintragungen, von denen viele – anders als ihre Verfasserinnen und Verfasser – den Krieg überstanden haben. Nachvollziehbar wird das Erschrecken der Opfer, ihre Wehrlosigkeit angesichts von Diskriminierung und Deportation und manchmal auch ihr Widerstandsgeist und der Wille, sich zu wehren. Friedländer schildert die Verfolgung der Juden als gesamteuropäisches Geschehen, in dessen Zentrum zwar der Judenhass Hitlers stand, das aber nicht nur durch willfährige deutsche Unterstützer möglich wurde, sondern auch durch Antisemiten in den besetzten Ländern, die den Nationalsozialisten zur Hand gingen. Chronologisch dargestellt werden die erst unorganisierten Deportationen und die damit verbundenen Ideen, die Juden zur Auswanderungen zu zwingen, dann die Radikalisierung, die in den Genozid mündete. Begleitet wurde der Holocaust von einer antisemitischen Propaganda, deren menschenverachtende Methode am Beispiel einiger Filme erläutert wird. Friedländer grenzt sich explizit von Studien ab, die den Holocaust seiner Ansicht nach zu monokausal deuten. Entsprechende Schwierigkeiten hat er deshalb mit der Analyse von Götz Aly in „Hitlers Volksstaat“, wonach mit den ökonomischen Zwängen des Regimes und mit der Raffgier der Bevölkerung der Verlauf der Vernichtung zu erklären sei – allerdings verwirft Friedländer diese Erklärung nicht völlig. Eine abschließende Deutung dieses Völkermords würde sich vielleicht am ehesten in einer Synthese aller sinnvollen Erklärungsansätze ergeben. Letztlich maßgeblich aber bleiben – wie in diesem Buch – die Stimmen der Opfer.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.312 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Saul Friedländer: Die Jahre der Vernichtung. München: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26464-die-jahre-der-vernichtung_30845, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30845 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken