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Bernd Kauffmann / Basil Kerski (Hrsg.)

Antisemitismus und Erinnerungskulturen im postkommunistischen Europa

Osnabrück: fibre 2006 (Veröffentlichungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e. V. 10); 196 S.; 19,50 €; ISBN 978-3-938400-14-2
Die Diskussion um verschiedene nationale Erinnerungskulturen hat Konjunktur. Für die mitteleuropäische Region ist sie von einer gewissen Brisanz. Dort wurden im Laufe der Geschichte Territorien und ihre Einwohner zwischen den Staaten hin und her geschoben. Neben der Erinnerungskultur behandeln die Beiträge Aspekte des Antisemitismus. Die Frage „Droht ein neuer Antisemitismus?“ lag auch der Tagung der Stiftung Schloss Neuhardenberg im Juni 2005 zugrunde, deren Vorträge und Diskussionen hier abgedruckt sind. Dass der Titel eine Verbindungslinie zwischen Antisemitismus und den postkommunistischen Ländern Mitteleuropas zieht, ist nicht ganz glücklich. Basil Kerski berichtet in seinem Beitrag von dem Ärger, den er verspürt, wenn er in Deutschland auf den vermeintlichen Antisemitismus der Polen angesprochen wird, oft im Zusammenhang einer als Monstranz vorgetragenen „Aufarbeitungsleistung“ der Deutschen. Vor diesem Hintergrund erläutert Kerski die vielschichtigen Beziehungen zwischen polnischen Juden und Christen während der deutschen Besatzung. Ireneusz Krzemiński liefert in seinem Aufsatz eine empirisch fundierte Bilanz zum alten und neuen Antisemitismus in Polen und der Ukraine. Gegen Kerskis eher positive Bilanz muss Krzemiński aufgrund seiner Untersuchungen aber auf einen stärker gewordenen modernen Antisemitismus in Polen verweisen. Heinrich August Winkler bilanziert in seinem Beitrag die Probleme auf dem Weg hin zu einem gemeinsamen europäischen Geschichtsbild. Er betont, dass die EU nach ihrer Osterweiterung Mitglieder mit extrem unterschiedlichen Erfahrungen in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts umfasst: „In seiner Erinnerungskultur bleibt das vereinte Europa ein gespaltener Kontinent.“ (114) Die mögliche Herausbildung eines europäischen Wir-Gefühls, eines historisch und normativ gehaltvollen europäischen Projekts hält Winkler erst für möglich, wenn die bisher getrennten europäischen Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt werden.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.61 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Bernd Kauffmann / Basil Kerski (Hrsg.): Antisemitismus und Erinnerungskulturen im postkommunistischen Europa Osnabrück: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26345-antisemitismus-und-erinnerungskulturen-im-postkommunistischen-europa_30688, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30688 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken