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Jonathan Sperber

Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert. Aus dem Englischen von Thomas Atzert, Friedrich Griese und Karl Heinz Siber

München: C. H. Beck 2013; 634 S.; geb., 29,95 €; ISBN 978-3-406-64096-4
Jonathan Sperbers Ausgangsprämisse seiner Annäherung an die Person Karl Marx wird von ihm in aller Deutlichkeit zu Beginn der Biografie benannt: „Das Bild von Marx als einem Zeitgenossen, dessen Ideen die moderne Welt prägen, ist überholt und sollte einem neuen Verständnis weichen, das ihn als Gestalt einer verflossenen historischen Epoche sieht, die gegenüber unserer Gegenwart immer weiter in die Vergangenheit zurücksinkt.“ (9) Zentral ist mithin die Herausstellung eines „neutralen“ Marx in seinem historischen Kontext, ohne ihn mit den an ihn und sein Werk herangetragenen Erwartungen, Interpretationen, Unterstellungen und Irrwegen zu konfrontieren, die die 130 Jahre nach seinem Tod prägten. Der Aufbau des Werks ist demgemäß klassisch und folgt den unterschiedlichen Lebensphasen, die Sperber grob in „Die Prägung“, „Der Kampf“ und „Das Vermächtnis“ einteilt. Die für die Kapitel in gleicher Weise vorgenommenen Typisierungen setzen dieses Schema auf kleinteiligerer Ebene fort und dürften ebenso wie die einleitenden Abschnitte zur Untermauerung dieser Charakterisierung eher publizistischen Erwägungen geschuldet sein. Innerhalb der Kapitel erfolgt jeweils eine wissenschaftlich exakte und angenehm zu lesende Zusammenstellung des jeweiligen Lebensabschnitts. Der Autor wird hier seinem selbstgestellten Anspruch der Verknüpfung von „Privatleben, öffentlichem Wirken und intellektuellen Formulierungen“ (11) vollauf gerecht. Inkohärent und letztlich unbefriedigend werden Sperbers Ausführungen immer dann, wenn er sich tiefgehender mit philosophischen und ökonomischen Aspekten auseinandersetzt. Beispielgebend hierfür sind die Darstellung Marx‘scher Positionen im Spannungsfeld von Hegelianismus und Positivismus (Kapitel „Der Theoretiker“, 392 ff.) sowie in Abgrenzung zur ökonomischen (Neo‑)Klassik (Kapitel „Der Ökonom“, 421 ff.). Bezeichnenderweise nimmt Sperber in diesen Fällen eine letztlich aktuelle Perspektive ein, die im Kontrast zu seinem ursprünglich formulierten Erkenntnisinteresse steht. Relativ ratlos bleibt der Leser, warum er, ob der in Summe anregenden und bereichernden Lektüre, der vom Autor eingeforderten Ablage Marx’ in die Schublade der Geschichtsschreibung zustimmen sollte. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen dürften hier, zu Recht, ihr vielstimmiges Veto einlegen.
Thorsten Schumacher (THS)
M. A. (Politikwissenschaft, Philosophie, Öffentliches Recht), Referent im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Thorsten Schumacher, Rezension zu: Jonathan Sperber: Karl Marx. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/252-karl-marx_43824, veröffentlicht am 30.05.2013. Buch-Nr.: 43824 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken