Die Integration des modernen Staates. Zur Aktualität der Integrationslehre von Rudolf Smend
Pünktlich zum dreißigsten Todestag des berühmten Weimarer Verfassungs- und Kirchenrechtlers erscheint in der von Rüdiger Voigt herausgegebenen Reihe ein Sammelband zu Rudolf Smend. Im einleitenden Text betonen Martin Morlok und Alexandra Schindler zunächst die Wirkungsmächtigkeit der Integrationslehre, die Smend in den Rang eines Klassikers erhebt, anhand der Rezeption in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung sowie aufgrund ihrer aktuellen Bedeutung im Prozess der europäischen Vergemeinschaftung. Etwas ambivalenter bewertet Lhotta Smends Verfassungstheorie, die zwar einen immensen historischen Stellenwert besitze und mit ihrer philosophischen Ausrichtung auch heute noch auf diskutierte Grundprobleme einer Verfassungstheorie verweise. Aber trotz zahlreicher Analogien zwischen geistesgeschichtlicher Integrationslehre und heutigem Neoinstitutionalismus sei eine politikwissenschaftliche Rezeption bisher weitgehend ausgeblieben. Distanzierter ist der Blick von Andreas Anter, der Smend eine zeitweilig ambivalente Einstellung zur parlamentarischen Demokratie bescheinigt, die er erst durch den Rückgriff auf Max Weber überwunden habe. Fast diametral dazu steht der Beitrag von Stefan Korioth, der ähnlich wie Lhotta die Aktualität philosophiegeschichtlicher Tradition, in die sich Smend als Parteigänger Hegels einordnen lässt, hervorhebt. Anders als Anter, der auf seine zeitweilige Nähe zum Faschismus verweist, interpretiert Korioth Smends Schriften der späten Weimarer Republik als verzweifeltes – und unrealistisches – Konzept zur Bewahrung der parlamentarischen Demokratie. Diese demokratietheoretische Diskussion, die den Richtungs- und Methodenstreit wieder aufgreift, wird durch André Brodocz’ Versuch, eine neue Integrationslehre zu entwerfen, abgeschlossen. Von dieser Auseinandersetzung eher unberührt sind die letzten Beiträge von Daniel Krausnick und Achim Hurrelmann, weil sie nach der Anwendbarkeit der Integrationslehre für aktuelle politische Systeme fragen. Dabei wird in allen Aufsätzen deutlich, dass Smend ein instruktiver Ideengeber bleibt, jedoch für die Ambivalenzen moderner Staatlichkeit und die Komplexität des supranationalen Konstitutionalismus nur begrenzt erklärungsfähig ist.