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Harald Welzer

Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2005; 323 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-10-089431-6
Der Sozialpsychologe Welzer beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen und psychologischen Mechanismen, die aus normalen Menschen Massenmörder werden lassen. Dabei setzt er sich schwerpunktmäßig mit den Tätern im Dritten Reich auseinander. Durch die Auswertung neuerer Studien sowie von Vernehmungsprotokollen der Nürnberger Prozesse zeigt er, dass die meisten Täter in SS und Wehrmacht keineswegs psychisch kranke Menschen waren. Ein zweiter kürzerer Abschnitt ist den Massenmorden in Vietnam, Ruanda und dem ehemaligen Jugoslawien gewidmet. Der Titel seiner Schlussbemerkungen bringt Welzers zentrale These auf den Punkt: „Alles ist möglich“ (246) – es gebe keine natürliche Grenze für menschliches Handeln. Er betont insbesondere die hohe Dynamik gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Um die konkrete Täterentwicklung erklären zu können, müsse man mehrere unterschiedliche Kontexte differenzieren: erstens einen gesellschaftlichen Prozess radikaler Ausgrenzung anderer, „der schließlich ein Tötungsverbot in ein Tötungsgebot verwandelt“ (16), zweitens die soziale Situation und ihre Interpretation durch den Täter sowie drittens die individuelle Einschätzung des persönlichen Handlungsspielraumes des Akteurs. Auf diese Weise zeigt Welzer sehr plausibel die einzelnen Anteile der Gesellschaft und der Persönlichkeit des Einzelnen an der Entwicklung zum Massenmörder. Besonders hebt er dabei das moderne Bedürfnis des Menschen nach Zugehörigkeit hervor. Diesem großen „Potential zur Unmenschlichkeit“ (268) stehe einzig die psychische Eigenschaft der Autonomie entgegen. Diese sei jedoch kein Resultat reflexiver Denkprozesse, sondern setze die Erfahrung von Bindung und Glück voraus und kann daher offenbar kaum gesellschaftspolitisch gefördert werden. Das Buch ist ein für alle Fachdisziplinen, die an der Erforschung von Genozid und Massenmord beteiligt sind, äußerst erhellender Beitrag. Aufgrund seiner Verständlichkeit und der Brisanz des Themas ist es darüber hinaus für einen weiten Leserkreis geeignet.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 2.25 | 2.312 | 2.61 | 2.67 | 2.68 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Harald Welzer: Täter. Frankfurt a. M.: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24402-taeter_28144, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 28144 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken