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Paul Tiefenbach

Alle Macht dem Volke? Warum Argumente gegen Volksentscheide meistens falsch sind. Hrsg. von Mehr Demokratie

Hamburg: VSA 2013; 191 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-89965-560-5
Den Königsweg aus der gegenwärtig konstatierten Krise der Demokratie sehen Organisationen wie der Verein „Mehr Demokratie!“ in der Einführung von plebiszitären Elementen. Gegen die direkte Demokratie gibt es jedoch einiges einzuwenden, vor allem, dass ihre Effekte tendenziell minderheitenfeindlich sind. Tatsächlich besteht das Problem der Tyrannei der Mehrheit, wenn ein Teil der Bevölkerung über die Rechte eines anderen Teils abstimmt, wie etwa beim Minarettverbot oder dem Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe. Paul Tiefenbach, Politologe und Aktivist bei „Mehr Demokratie!“, greift diese Argumente auf, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nur die wenigsten Volksentscheide würden Minderheitenthemen aufgreifen und außerdem solle ohnehin ein Gericht vorab die Zulässigkeit einer Frage prüfen. Tiefenbach hat kein wissenschaftliches Werk, sondern ein Plädoyer für die direkte Demokratie geschrieben. Anekdotenhaft erzählt er anhand zahlreicher Beispiele, wie Volksentscheide funktionieren (können) und wen sich Deutschland zum Vorbild nehmen könnte. Dass hierbei wieder einmal die Schweiz und Kalifornien zum Zug kommen, überrascht wenig. Doch es wäre interessant gewesen, einen tieferen Blick nach Lateinamerika zu werfen, wo in den vergangenen Jahren neue Wege der Bürgerbeteiligung gegangen wurden. Zu kurz kommen in Tiefenbachs Fürsprache der direkten Demokratie schließlich auch die Argumente zur Überlegenheit des Parlamentarismus. Nur dieser lässt nämlich das Aushandeln von Interessengegensätzen, das Junktimieren und Tauschen von Zugeständnissen zu, wodurch ein Programm‑ und Reformpaket geschnürt wird, in dem neben vielen Annehmlichkeiten auch die bittere Pille untergebracht werden kann. Wird aber das Paket aufgeschnürt und jeder Punkt einer Abstimmung unterzogen, hat die bittere, jedoch nötige Pille kaum eine Chance… Tiefenbachs Buch gibt die Einschätzungen und Forderungen von „Mehr Demokratie!“ wieder, verabsäumt aber eine differenzierte Darstellung unter Einbezug der Ideen anderer Initiativen.
Tamara Ehs (TE)
Dr. phil., Politikwissenschaftlerin am IWK Wien und Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg (http://homepage.univie.ac.at/tamara.ehs/)
Rubrizierung: 2.21 | 2.32 | 2.5 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Paul Tiefenbach: Alle Macht dem Volke? Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/241-alle-macht-dem-volke_43764, veröffentlicht am 08.05.2013. Buch-Nr.: 43764 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken