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Wolfgang Seibel

Verwaltete Illusionen. Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt und ihre Nachfolger 1990-2000

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2005; 544 S.; geb., 49,90 €; ISBN 3-593-37755-1
In der DDR habe im Herbst 1989 die Vorstellung vorgeherrscht, die Höhe des Lebensstandards könne von der Produktivität der Arbeit entkoppelt werden. Und im Westen habe man gemeint, „die DDR könne selbst mit ihrer am Boden liegenden Wirtschaft und einer Arbeitsproduktivität von bestenfalls einem Drittel des westdeutschen Niveaus bruchlos in das bundesdeutsche System integriert werden“ (479), schreibt Seibel. Die Umstellung der Löhne und Gehälter auf die D-Mark im Verhältnis von 1:1 habe einer Aufwertung um 400 Prozent entsprochen. „Unter diesem Druck musste die DDR-Wirtschaft endgültig zusammenbrechen.“ (27) Diese Entwicklung sei nicht zwingend ohne Alternative gewesen, so der Autor, aber „ideellen und strukturellen Vorprägungen“ (31) gefolgt. Diese werden im ersten Teil dieser politischen Institutionengeschichte dargestellt, in deren Mittelpunkt die Treuhandanstalt steht. Es folgt eine Analyse der taktischen Anpassungsleistungen, die zur Konsolidierung der Treuhandanstalt führten – und sie zu einer Institution machten, die die genannten wirtschaftlichen und politischen Illusionen zu bewältigen hatte. In der Folge habe sie als Mythos und Sündenbock zur negativen Integration der Ostdeutschen sowie zur Herausbildung einer spezifischen, sich abgrenzenden Regionalidentität beigetragen. In einem weiteren Kapitel werden die Wirkungen der institutionellen Dynamik am Beispiel der Schiffbau- und Stahlindustrie aufgezeigt, ferner die Entscheidungsprozesse, „die die nachhaltige Wirkung der Treuhandanstalt auf das institutionelle Gefüge der Bundesrepublik begründet haben“ (33). Der letzte Teil ist den Zentralisierungswirkungen des Treuhandregimes auf das Institutionengefüge der Bundesrepublik gewidmet, dessen Grundlage eine auf Ausgleich bedachte föderative Finanzverfassung ist: Indem mit dem eigentlich unrealistischen Umtauschkurs den Illusionen mit dem Ziel der politischen Stabilität nachgegeben worden sei, habe die Bundesrepublik die tief greifende wirtschaftliche Krise der DDR und die damit verbundenen Legitimationsprobleme geerbt. Aus dem Inhalt: Wolfgang Seibel: Nationale Integration und „volkseigenes Vermögen“ 1989-90 (35-117) Wolfgang Seibel: Die Konsolidierung der Treuhandanstalt 1990-1991 (119-216) Jörg Raab / Wolfgang Seibel: Privatisierungsnetzwerke (217-316) Hartmut Maaßen / Wolfgang Seibel: Die Scheinauflösungen der Treuhandanstalt 1994 (317-364) Arndt Oschmann / Wolfgang Seibel: Zentralistisches Erbe oder Anpassung an die föderative Normalverfassung? Die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt 1995-2000 (365-478) Wolfgang Seibel: Schlussbetrachtung: Erfolgreiches Scheitern (479-502)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.315 | 2.342 | 2.324 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Wolfgang Seibel: Verwaltete Illusionen. Frankfurt a. M./New York: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/23624-verwaltete-illusionen_27132, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 27132 Rezension drucken