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Harry Waibel

Rassisten in Deutschland

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2012; 447 S.; geb., 59,95 €; ISBN 978-3-631-63848-4
Bereits ein Blick auf den Einband verrät das ambitionierte Vorhaben des Autors. Da bewusst nicht von Rassismus, sondern von „Rassisten in Deutschland“ die Rede ist, folgt die Darstellung augenscheinlich dem akteursorientierten Ansatz der Rechtsextremismusforschung. An vielen Stellen weicht diese Methode allerdings auf. Gegliedert in vier beziehungsweise fünf Schwerpunkte – Rassisten in der Bundesrepublik 1949 bis 1990, Rassisten in der DDR 1949 bis 1990, Rassisten im wiedervereinigten Deutschland 1990 bis 2011 sowie einer akribisch recherchierten Chronologie rassistischer Ereignisse in der DDR – schildert Harry Waibel die Entwicklung und massive Etablierung rechter Einstellungs‑ und Verhaltensmuster seit 1949. Mit der Auflistung und Kurzdarstellung neonazistischer Morde von der Wiedervereinigung bis ins Jahr 2011 schließt er seine Ausführungen. Die Liste der Todesopfer liest sich als erschütternde und traurige Bilanz einer menschenverachtenden Haltung. Auffällig ist, dass die meisten dieser Gewaltverbrechen seit 1990, also innerhalb von nur zwei Jahrzehnten, in den neuen Bundesländern verübt wurden. Die Herleitung, „wie die gegenwärtige Entwicklung von vielen Deutschen hin zu rassistischen Einstellungen und Taten zu verstehen ist“ (7), liefert Waibel deshalb besonders für den Osten der Republik. Er kommt dabei zu dem Ergebnis: „In der DDR gab es einen institutionalisierten und gesellschaftlichen Rassismus, von dessen Existenz niemand wusste, weil niemand es wissen sollte“ (175). Die betroffenen Menschen und Personengruppen fanden, blockiert durch die autoritäre Politik der DDR‑Führung und die latent rassistischen Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung, kaum Gehör und Hilfe. Allen Apologetiken und der kollektiven „Verdrängungsleistung der als unangenehm empfunden Tatsachen“ (8) zum Trotz liest sich seine Schilderung als Plädoyer, den Mythos der DDR als „antifaschistischen Staat“ endgültig ad acta zu legen und seine gesellschaftlichen Nachwirkungen in die Bekämpfung der Ideologien der Ungleichheit mit einzubeziehen. Denn die „rassistischen Einstellungen in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft erweisen sich als stabil und es zeigt sich deutlich, dass es sich um ein Problem handelt, das allein durch Polizei und Geheimdienst nicht zu lösen ist“ (227).
Ronny Noak (RNO)
B.A., Politikwissenschaftler, Student, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 2.35 | 2.313 | 2.314 | 2.315 | 2.37 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Ronny Noak, Rezension zu: Harry Waibel: Rassisten in Deutschland Frankfurt a. M. u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/228-rassisten-in-deutschland_43701, veröffentlicht am 02.05.2013. Buch-Nr.: 43701 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken