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Winfried Brugger

Freiheit und Sicherheit. Eine staatstheoretische Skizze mit praktischen Beispielen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2004 (Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat 33); 105 S.; brosch., 24,- €; ISBN 3-8329-0808-0
Angesichts terroristischer Bedrohung wird auch in der juristischen Staatstheorie über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit heftig diskutiert. Brugger, Staatsrechtler und Rechtsphilosoph an der Universität Heidelberg sowie Mitherausgeber der renommierten Zeitschrift „Der Staat“, ist der politikwissenschaftlichen Fachöffentlichkeit durch die von ihm 1996 losgetretene Kontroverse um die Zulässigkeit der Folter bekannt („Darf der Staat ausnahmsweise foltern?“; in: Der Staat, 1996, 67 ff.). Im vorliegenden Band verbindet er klassische Vertragstheorien der politischen Philosophie (insbesondere Hobbes, Locke, Rousseau und Kant) mit der Analyse von vier aktuellen verfassungsrechtlichen Fragestellungen: 1. Lebensrettende Aussageerzwingung, 2. Volksverhetzung, 3. Parteiverbot und 4. Rasterfahndung. Dabei geht es ihm vordringlich nicht um die konkrete Lösung dieser Fallbeispiele anhand eines aus dem Grundgesetz dogmatisch vermeintlich direkt ableitbaren Staatsziels oder gar Grundrechts auf „Sicherheit“, wie es vor allem seitens der konservativen Staatslehre postuliert wird. Seine Arbeit zielt vielmehr auf die politisch‑theoretische Fundierung des Staatszwecks „Sicherheit“, sodass sich in allen vier Fällen Abwägungsspielräume zwischen gleichrangigen Staatszwecken eröffnen. In diesem „staatstheoretischen“ Zugang zu verfassungsrechtlichen Problemen liegt ohne Zweifel die Stärke der Arbeit; denn so wird gezeigt, wie sehr deren Lösung letztendlich vom politisch‑theoretischen und normativen Ansatz ‑ und dieser wiederum häufig vom Zeitgeist ‑ abhängt. Aber als Staatstheoretiker sitzt Brugger diesem selber auf: Er verliert die Freiheit als vornehmsten Staatszweck aus den Augen zugunsten des Sekuritätsideals von Hobbes. Dessen souveräner Staat kennt prinzipiell keine der Abwägung entzogene Grenze (Menschenwürde) von Sicherheit ‑ und zwar selbst nicht in der Form seiner liberalen Hegung durch die Staatslehre eines Georg Jellinek, auf die sich Brugger beruft.
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Rubrizierung: 5.41 | 2.32 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Winfried Brugger: Freiheit und Sicherheit. Baden-Baden: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22655-freiheit-und-sicherheit_25850, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25850 Rezension drucken