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Jörg Paul Müller

Perspektiven der Demokratie. Vom Nationalmythos Wilhelm Tell zur Weltsicht Immanuel Kants

Bern: Stämpfli Verlag AG 2012 (Kleine Schriften zum Recht); XIII, 180 S.; brosch., 25,- €; ISBN 978-3-7272-1753-1
„Freiheit des Einzelnen und Unabhängigkeit des Gemeinwesens sind Kernprobleme des Schauspiels Wilhelm Tell. Freiheit des Menschen nach innen und aussen ist auch zentrales Anliegen der Philosophie Kants“ (XI), schreibt Jörg Paul Müller. Er untersucht Selbstbestimmung, Toleranz und soziale Verständigung in Kants Danken, in Schillers Bühnenstück „Wilhelm Tell“ und in der heutigen Welt. Das Verfassungskonzept der Menschenwürde geht nach Meinung des Schweizer Rechtswissenschaftlers auf Kant zurück und findet auch im „Wilhelm Tell“ seinen Ausdruck. Zu der am Schluss des Dramas gewonnenen Freiheit äußert sich der Autor wie folgt: „[Es] wird eine politische und gesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen Freien möglich, eine Kooperation, die […] die permanente Chance eines […] kommunikativen individuellen oder kollektiven Widerstands im Falle des Machtmissbrauchs in sich schließt.“ (34) Als Denkanstöße aus Kants „Kritik der Urteilskraft“, mit der sich Schiller intensiv beschäftigte, hält Müller folgende Maximen fest: das „autonome Denken“ (40), die „erweiterte Denkungsart“ (41) als Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und die „konsequente Denkungsart“ (43), die das Aufdecken von Widersprüchen umfasst. Hinzu kommt „Gerechtigkeit als Maßstab der Gesetzgebung“ (51). Im Hinblick auf die aus Sicht Schillers und Kants grundlegenden Menschenrechte wie Freiheit und Würde betont der Autor, dass die Menschenwürde als Kulturgut stets neu zu definieren und unter anderem eine Aufgabe von Philosophie und Ökonomie sei, aber letztlich ein offener Begriff bleiben müsse. Sodann fokussiert Müller auf die „Toleranz als Bedingung religiöser und geistiger Freiheit im Zusammenleben fehlbarer Menschen“ (91). Auf Kant bezogen heißt es: „Sie [die Toleranz] ist zwingende Konsequenz der Vernunft und Einsicht, dass wir Menschen mit unseren unterschiedlichen Religionen und Interessen auf Gedeih und Verderb auf der einen Erdkugel zusammenleben.“ (99 f.) Moderne Grenzen beziehungsweise Grenzfälle der Toleranz bildeten der (religiöse) Terrorismus, das Konzept der Leitkultur und Gleichgültigkeit. Zuletzt plädiert Müller für die Öffnung unserer Weltsicht, vom Nationalen zum Globalen – oder in den Worten Kants: vom Staats‑ zum Weltbürger – und entwickelt die „Utopie einer demokratischen Weltbürgerschaft“, stellt dann aber ernüchternd fest: „Von einer aufs globale Ganze gerichteten kommunikativen Auseinandersetzung […] sind wir weit entfernt.“ (146)
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.33 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Jörg Paul Müller: Perspektiven der Demokratie. Bern: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21966-perspektiven-der-demokratie_42881, veröffentlicht am 18.04.2013. Buch-Nr.: 42881 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken