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Gotthold Schramm

Die BND-Zentrale in Berlin. Beobachtungen

Berlin: edition ost 2012; 191 S.; brosch., 14,95 €; ISBN 978-3-360-01835-9
Derzeit entsteht in Berlin-Mitte auf dem Areal des ehemaligen Stadions der Weltjugend die neue BND-Zentrale. Die für den Neubau zunächst veranschlagten Kosten von ca. 500 Millionen Euro belaufen sich mittlerweile auf 2 Milliarden Euro – nicht nur deshalb ist die von der rot-grünen Bundesregierung getroffene Entscheidung des BND-Umzugs von einigen Seiten kritisiert worden. Auch Schramm, seinerzeit Mitarbeiter der Staatssicherheit, beklagt in seinem Buch den kostspieligen Neubau und verbindet dies mit einer umfassenden Negativbeurteilung der personellen und strukturellen Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes und der deutschen Interessen insgesamt. Zunächst bezweifelt er mit Blick auf die aktuelle politische Lage die Notwendigkeit des Berliner Großgebäudes. „[W]ir sind nur von Freunden umstellt, der Kalte Krieg ist seit zwei Jahrzehnten vorüber. Wo also steht der Feind, der uns bedroht und der solche Siegfriedstellung nötig macht? Im Internet? Am Hindukusch? Oder befindet er sich nur unter Schlapphüten in berufsbedingt deformierten Hirnen?“ (13) Schramm beantwortet sich die Frage selbst: Es gehe nicht um eine möglichst gute Kenntnis und Abwehr des Feindes, sondern die neue BND-Zentrale sei „sichtbarer Ausdruck globaler Ambitionen seines Brötchengebers“ (13). Dieser „Größenwahn“ (47) entstand nach Ansicht von Schramm seit dem rot-grünen Regierungsantritt. Schröder und Fischer bauten „den Auslandsnachrichtendienst sukzessive in [ihre] außenpolitischen Interessen und Belange ein. Insofern war der Beschluss zur Verlegung der BND-Zentrale von Bayern an den Regierungssitz nur zu logisch“ (50). Wenngleich Schramm mit einigen seiner Ausführungen – etwa der Kritik an den „braunen Wurzeln“ (105) des BND oder die Fragwürdigkeit des Umzugs – gewichtige Punkte nennt, die sehr wohl debattiert werden müssen, ist es doch nur zu offensichtlich, dass der ehemalige MfS-Mitarbeiter seine Argumentation aus einer politischen Motivation heraus aufbaut. Makaber für alle Stasiopfer ist allerdings, dass er zwar die Ausgaben für den Neubau beklagt, aber kein einziges kritisches Wort über seinen früheren Arbeitgeber in der Normannenstraße verliert. Er verschweigt nicht nur, dass die DDR zur damaligen Zeit den größten jemals dagewesenen Geheimdienstapparat (im Verhältnis zur Bevölkerung) mit hochmoderner, äußerst kostspieliger Technik besaß, sondern er macht auch nicht vor geschmacklosen Äußerungen über Personen halt, die Opfer der Staatssicherheit waren: „Von Gauck, da kann man sicher sein, wird bestimmt kein systemkritisches Wort kommen, der findet den Kapitalismus vermutlich noch toll, wenn dieser schon längst untergegangen ist.“ (15)
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.324 | 2.313 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Gotthold Schramm: Die BND-Zentrale in Berlin. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21959-die-bnd-zentrale-in-berlin_42177, veröffentlicht am 05.07.2012. Buch-Nr.: 42177 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken