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Axel Honneth

Das Recht der Freiheit. Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2011; 628 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-518-58562-7
Seit seiner im Jahr 1992 veröffentlichten großen Studie zum „Kampf um Anerkennung“ hat der heute federführende Vertreter der Frankfurter Schule keine umfangreiche Monografie mehr vorgelegt. Im Mittelpunkt seines neuen Buches stehen nun die anerkennungstheoretischen Praktiken der westlich-demokratischen Gesellschaften, mithin das Lebensthema des Philosophen Honneth. Angeleitet vom umfassenden Gestaltungsanspruch der Gerechtigkeitsnorm in der Moderne widmet er sich den mitunter verdeckten moralischen Regeln der demokratischen Gesellschaft auf allen ihren Interaktionsebenen – namentlich den persönlichen Beziehungen, dem marktwirtschaftlichen Handeln und der demokratischen Willensbildung. Die gerechtigkeitstheoretische Perspektive ermöglicht es ihm, sich scharf im Feld der heute so prominenten politischen Philosophie zu verorten, indem er mit seinem hegelianischen Freiheitsverständnis ein Denken stark macht, das quer zum einflussreichen Mainstream des kantianischen Konstruktivismus steht. Aber trotz aller Tendenzen zu moralischem Substanzialismus und ontologischem Kollektivismus: Mit der rekonstruktiv ansetzenden kritischen Methode ist Honneth an einer normativ sensiblen Aneignung der neuzeitlichen Sozialgeschichte interessiert, die das Subjekt der Aufklärung eben nicht seiner Verantwortungsverpflichtung enthebt, sondern ihm durch eine soziale Kontextualisierung überhaupt erst ermöglicht, die Reichweite und die Natur seiner Verantwortlichkeit zu verstehen. Dafür gibt ein hegelianisches Verständnis von Freiheit als sozialer Freiheit den Schlüssel an die Hand. Im Anschluss an die philosophische Grundlegung seiner rekonstruktiven Methode und einer Kritik der Freiheitsverständnisse des Rechts und der Moral sowie der Diskussion ihrer Pathologien sind die letzten zwei Drittel des Buches mit sozialhistorisch-phänomenologischen Analysen gefüllt. Sie zielen darauf, die heutige soziale Ordnung der westlichen Demokratien und ihre selbstverständlichen und gleichsam unausgesprochen gewährten Freiheitsräume durch die Interpretation soziologischer, historischer und literarischer Texte bewusst zu machen, zu verstehen und schließlich auf ihre unausgeschöpften Gerechtigkeitspotenziale hin zu befragen. Die Frucht dieses ambitionierten Unterfangens ist indes nicht nur für Philosophen von besonderem Interesse, sondern für alle Menschen, die nach den Regeln, Normen und Idealen unseres Zusammenlebens fragen.
Stefan Militzer (SM)
Dr., Publizist, Frankfurt a. M.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Stefan Militzer, Rezension zu: Axel Honneth: Das Recht der Freiheit. Frankfurt a. M.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21945-das-recht-der-freiheit_40805, veröffentlicht am 18.08.2011. Buch-Nr.: 40805 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken