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Zsolt Keller

Abwehr und Aufklärung. Antisemitismus in der Nachkriegszeit und der schweizerische israelitische Gemeindebund

Zürich: Chronos Verlag 2011 (Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte des Instituts für Geschichte der ETH Zürich 6); 345 S.; 40,- €; ISBN 978-3-0340-1042-9
Geschichtswiss. Diss. Zürich; Gutachter: C. Moos. – Der Theologe und Historiker Keller zeichnet den schweizerischen Antisemitismus in den Jahren von 1943 bis 1963 anhand der wechselvollen Geschichte des Schweizerischen Israelitischen Geheimbundes (SIG) nach. Er stützt sich dabei vorrangig auf Dokumente aus dessen Archiv. Zunächst erörtert Keller konkrete Vorfälle wie den gewaltsamen Angriff auf im Arbeitslager Sierre im Kanton Wallis internierte Juden und vermittelt dadurch ein differenziertes Bild des schweizerischen Antisemitismus. Sein Schwerpunkt liegt aber auf der Geschichte des Ende 1944 gegründeten SIG-Ressorts Abwehr und Aufklärung sowie der Arbeit der Kommission gegen den Antisemitismus. Während sich die Kommission mit den antisemitischen Äußerungen christlicher Theologen konfrontiert sah, suchte der SIG mit dem Ziel der Ächtung antisemitischer Äußerungen in Behörden und Politik nach 1945 den Kontakt zu hohen offiziellen Stellen wie der schweizerischen Bundesstaatsanwaltschaft und dem Bundesrat. Darüber hinaus wandte sich der Geheimbund gegen antijüdische Äußerungen in den Medien und der Literatur. Keller stellt fest, dass der SIG den Antisemitismus nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Wesentlichen auf im christlichen Religionsunterricht verbreitete Ressentiments zurückführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass der Versuch des SIG, dem Antisemitismus mit juristischen Mitteln zu begegnen, scheiterte. Eine Verringerung antisemitischer Vorurteile wurde lediglich mittels des christlich-jüdischen Dialogs erreicht. Keller hebt hervor, dass die schweizerischen Juden natürlich auch von der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 beeinflusst wurden. So hätte der Geheimbund anfänglich von der großen Solidarität mit dem jungen Staat Israel und dem völkerrechtlichen Gewicht, das den Schweizer Juden dadurch zuteil wurde, profitiert. In den folgenden Jahrzehnten litt allerdings auch der SIG unter der durch die Staatsgründung forcierten Internationalisierung des Antisemitismus.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.5 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Zsolt Keller: Abwehr und Aufklärung. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21739-abwehr-und-aufklaerung_40226, veröffentlicht am 17.05.2011. Buch-Nr.: 40226 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken