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Adibeli Nduka-Agwu / Antje Lann Hornscheidt (Hrsg.)

Rassismus auf gut Deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen

Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel 2010; 559 S.; 44,- €; ISBN 978-3-86099-643-0
Der Rassismus sei „Teil der Struktur der deutschen Gesellschaft“ (15), schreiben die Herausgeber einleitend. Um aber – auch unbeabsichtigten – Benachteiligungen entgegenzuwirken, plädieren sie für einen überlegten Gebrauch der Sprache. Eine ihrer zentralen Forderungen lautet daher, dass den selbstbestimmten und -gewählten Benennungen von rassistisch Diskriminierten stets der Vorzug vor allen anderen Benennungen zu geben sei. Die ersten Beiträge des Bandes sind daher Eigenbenennungen wie „Afrodeutsch/Afrodeutsche“ gewidmet, die gleichwohl aber auch auf ihre möglicherweise wieder ausgrenzenden Wirkungen untersucht werden. Im folgenden Teil werden gängige Begriffe genauer dargestellt, wobei sich der rassistische Gehalt nicht immer erschließen mag. Dies gilt etwa für den Begriff der „Tropenkrankheiten“, der als ausgrenzend kategorisiert wird, obwohl die damit gemeinten Krankheiten tatsächlich nicht in gemäßigten Klimazonen auftreten. Auch das Verdikt, dass der Kinderreim „Ching Chang Chong“ alle asiatischen Sprachen verächtlich mache, überzeugt nicht. Einsichtiger sind dagegen sicher die Kritiken an Zuschreibungen wie „Eskimo“ und „Zigeuner“, die allerdings im öffentlichen Sprachgebrauch schon seit längerem zurückgedrängt werden. Nicht plausibel ist dagegen die Behauptung, nur die deutsche Bezeichnung „Schlitzauge“, nicht aber der chinesische Begriff „Langnase“ sei rassistisch, weil mit letzterem Begriff eine Gruppe benannt werde, die nicht vom Rassismus betroffen sei. Diese willkürlichen Urteile nehmen dem Buch – so verdienstvoll das Anliegen auch sein mag – einiges an Überzeugungskraft. Ähnliches gilt auch für das letzte Kapitel, in dem der rassistische Gebrauch ausgewählter Konzepte untersucht wird. Der Leser wird beispielsweise aufgefordert, „die Geschichte des Gemacht- und Gewordenseins der Begriffe ‚Amerika’ und ‚Lateinamerika’ vor dem Hintergrund der daran geknüpften asymmetrischen Machtbeziehungen mitzudenken“, nur so könne der kolonialen Matrix entkommen werden. Julia Roth schlägt deshalb vor, die USA im Sprachgebrauch nicht mit Amerika gleichzusetzen und Lateinamerika in Anführungszeichen zu setzen oder von den „Länder[n] des sog. Lateinamerika“ (244) zu schreiben. Unklar bleibt, was damit tatsächlich gewonnen wäre.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Adibeli Nduka-Agwu / Antje Lann Hornscheidt (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch. Frankfurt a. M.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21736-rassismus-auf-gut-deutsch_39960, veröffentlicht am 04.05.2011. Buch-Nr.: 39960 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken